Abschrift eines Luther-Briefs wiederentdeckt
Stralsund (dpa) - Eine seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen geglaubte Abschrift eines Luther-Briefes aus dem Jahr 1545 ist im Stralsunder Stadtarchiv wiederentdeckt worden.
Das Dokument, das Martin Luther sowie die Reformatoren Johannes Bugenhagen und Philipp Melanchthon als Unterzeichner ausweist, habe einen großen kulturwissenschaftlichen und quellenhistorischen Wert, sagte die Leiterin des Stralsunder Stadtarchivs, Regina Nehmzow. „Der Fund ist eine Sensation.“
Das etwas mehr als ein DIN A4 große, eng beschriebene Schriftstück vom 2. Juli 1545, das die Positionen der Reformatoren zu den Ereignissen im pommerschen Stolp dokumentiert, steckte mit anderen Dokumenten unauffällig in einer im Stadtarchiv verwahrten Kirchenakte aus dem 16. Jahrhundert. Es gilt als einzige handschriftliche Quelle des im selben Jahr verfassten Briefes, wie die Leiterin der Melanchthon-Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Christine Mundhenk, sagte.
Der Originalbrief, der der nun aufgefundenen Abschrift zugrundeliegt, gilt als verloren. Trotzdem sind die Stralsunder Archivare und auch die Heidelberger Wissenschaftler überzeugt, dass die Abschrift authentisch ist. Sie verweisen auf das Papier, die Schrift und den stimmigen Bezug auf belegbare historische Ereignisse.
Das Wittenberger Dreigestirn der Reformation hatte sich mit dem Brief in einen Konflikt zwischen dem damaligen Pommernherzog Barnim IX. und der in Hinterpommern gelegenen Stadt Stolp eingeschaltet. Luther, Melanchthon und Bugenhagen baten in dem Brief den Herzog, Milde walten zu lassen und die Protagonisten des Stolper Rates, Simon von Wolder und Peter Suave, zu rehabilitieren. „Darumb bitten wir in underthenigkeit, S.f.g. (Seiner fürstlichen Gnaden), wollen die gefaste ungnad wider die bemelten Peter und Simon von Stolpen gnediglich und gott zu ehren von Inen abwenden.“ Besondere Wirkung hat der Brief allerdings nicht gezeigt. Die Auseinandersetzung sei noch über Jahrzehnte weitergelaufen, sagte Nehmzow.
Auf das Dokument war das Stralsunder Stadtarchiv durch Recherchen der Melanchthon-Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gestoßen. Die Forschungsstelle, die seit 1977 eine Edition der 10 000 Briefe umfassenden Korrespondenz des Reformators Philipp Melanchthon herausgibt, bereitet derzeit den Textband 14 mit Melanchthon-Briefen aus dem Jahr 1545 vor.