Material aus dem Heimwerkermarkt Ai Weiwei mit Kunst zum Selbermachen

Berlin. · Der chinesische Künstler nimmt mit seinem neuen Projekt Bezug auf Flüchtlinge. Die verschiedenen Konstruktionen aus Sicherheitsjacken, Haken und Eisenstangen sind konzipiert, um von Interessierten selbst zusammengebaut werden zu können.

Ai Weiweis neues Kunstwerk trägt den Titel „Safety Jackets Zipped the Other Way“, hier in der „Version Wand“.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Was braucht es für einen Ai Weiwei? Die „Version Stand“ verlangt „4x Edelstahlrohr, 6 m“, dazu sechs Warnschutzjacken und Kabelbinder „schwarz, Nylon“. Das jüngste Werk des chinesischen Künstlers können sich Heimwerker im Baumarkt selbst zusammensuchen. Sponsor Hornbach packt noch die Bauanleitung dazu.

Die Kosten für „Safety Jackets Zipped the Other Way“ liegen dann bei 500 Euro. Die „Version Wand“ mit Haken statt Stangen verlangt vom kunstinteressierten Bastler gerade mal 150 Euro. Kein Vergleich zu den sonstigen Preisen für Arbeiten des 62-Jährigen, die auf dem Kunstmarkt gern auch mal in die Millionen gehen.

„Der Wert von Kunst hängt ab von unserer eigenen Beurteilung“, sagt Ai Weiwei am Dienstag in Berlin. Jeder habe die Fähigkeit, Kunst zu machen. „Für einen Künstler ist es eine gute Idee, eine solche Möglichkeit anzubieten.“

Dass etwas Geschick und Zeit den Aufbau erleichtern, zeigt sich bei der Präsentation des Werkes. Dazu hat Ai Weiwei in sein Berliner Atelier geladen. Die gigantischen Katakomben liegen unter dem ehemaligen Brauereigelände Pfefferberg am Fuß des Hipster- und Familienparadieses Prenzlauer Berg.

Atelier in Berlin? Ist der Exilkünstler Ai Weiwei, in seiner Heimat verfolgt und lange Zeit auch weggesperrt, nicht nach einigen Berliner Jahren unter großem Deutschland-Bashing nach Cambridge in England gezogen? Ja, aber ein solches Atelier aufgeben? Er möchte es gern behalten, sagt der Künstler im Gespräch.

Passend zum Termin hat Ai Weiwei ein Feuerwerk von Interviews gezündet. Fun fact: In einem davon meint er, die Medien in Deutschland würden ihn kaum beachten.

Ai Weiwei sieht sich oft mit Rassismus konfrontiert

„In Deutschland wird inzwischen gesagt, ich solle abhauen, weil ich über die Probleme hier spreche“, sagt Ai Weiwei. Dem Rassismus begegne er auf allen Ebenen: in der Politik, in der Kunst, im Film, im Taxi sei er damit konfrontiert, „das kenne ich sehr gut“. Können Rassismus und Ausgrenzung im Alltag eines europäischen Landes überraschen? „Ich kann das nicht mit Frankreich oder Großbritannien vergleichen. Ich bin sicher, da gibt es auch Rassismus“, sagt er.

Zu seinen aktuellen Aufregern gehört die Berlinale, das Filmfestival beginnt in der kommenden Woche. Es ist neben Cannes und Venedig international das wichtigste. Bereits drei Filme von ihm seien abgelehnt worden, berichtet Ai Weiwei. Ai Weiwei nennt es „Zensur“. Der damalige Festivalchef Dieter Kosslick urteilte: „einfach grottenschlecht“.

Auf die Werke müssen Interessierte dennoch nicht verzichten. Parallel zur Berlinale zeigt das Szene-Kino Babylon Mitte eine Werkschau mit mehr als 50 Videos, Kurzfilmen und filmischen Arbeiten des Künstlers und Aktivisten. Titel: „Censored“.

Ai Weiwei hat sich in seinen Arbeiten zuletzt häufig mit dem Thema Flucht und den Folgen für die Betroffenen auseinandergesetzt. Er sieht Bezüge zu Flüchtlingen auch in seinen „Safety Jackets“, deren knalliges Orange an die Schwimmwesten von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer erinnert. „Die Farbe, das Gefühl von Gefahren, das unsichere Gefühl einer scheinbaren Sicherheit, menschlicher Schutz“, zählt der Künstler als Assoziationen auf. „Kunst ist immer verbunden mit unserem Leben, unseren Gefühlen, worüber wir uns Sorgen machen – und warum.“