Max-Frisch-Klassiker als packender Grusel-Comic im Düsseldorfer Schauspielhaus Biedermann in Gotham City
DÜSSELDORF · Wie ein schwarzes Gerippe ragt Gottlieb Biedermanns Haus in den Himmel. Giftige Rauchwolken und Tod hängen von Anfang an in der Luft. In einem Gitter-Aufzug fahren die beiden Brandstifter – Josef Schmitz und Wilma Eisenring – unters Dach, zusammen mit vier dunklen Fässern.
Gefüllt mit Benzin, wie man später erfährt.
Finster und düster, ja pechschwarz ist alles in der Neu-Inszenierung von „Biedermann und die Brandstifter“ in Düsseldorf. Den Nachkriegs-Klassiker von Max Frisch, mit dem mehrere Generationen sich durchs Abitur gequält haben, kleiden jetzt Regisseur Adrian Figueroa, Ausstatterin Irina Schicketanz und Malena Modéer (Kostüme) in ein bizarres, heutiges Gewand. In pausenlosen 90 Minuten knistert und knarrt es vor Spannung und grotesken Situationen. Mehr als verdient war der Jubel am Ende der ausverkauften Premiere für fünf versierte Darsteller und für das Regieteam im Düsseldorfer Schauspielhaus.
Zum Personen-Quintett gehören (neben einem Feuerwehrmann) die kinderlose Familie Biedermann und das Brandstifter-Pärchen: Alle bewegen sich wie in einem Grusel-Comic und Babette ruft nach ihrem Göttergatten mit gedehntem Echo-Hall „Bie-der-mann“. Figueroa (auch preisgekrönter Kurzfilm-Macher) bedient sich hier gekonnt zahlreicher Tricks aus der Filmbranche und macht aus Max Frischs Lehrstück einen temporeichen, lauten, knackigen Horror-Comic mit Tiefgang und finalem Höllensturz.
„Batman“-Freunde erkennen vielleicht in dem Ort, an dem Biedermann mit gnadenlosen Geschäftsmethoden eine Haarwasserfabrik betreibt und seinen kreativen Mitarbeiter Knechtling in den Selbstmord treibt, Gotham City – die erfundene Stadt, in der einst die geflügelte Comic-Figur ihre Bahnen zog.
Wie in einem Psycho-Krimi beherbergen die Biedermanns – aus lauter Angst und Panik vor noch Schlimmerem – die Brandstifter in ihrem Haus und mutieren ganz allmählich zu Erfüllungsgehilfen des Teufels. Zu mephistophelischen Allüren steigert sich Andreas Grothgar als Josef Schmitz in dem schwarzen Gummimantel eines Feuerwehrmanns. Mit schnalzender Zunge und verschlagenem Blick verlangen er und die finstere Gesellin Wilma immer mehr vom Hausherrn, werden immer dreister.
Die zuerst geduldeten Gäste übernehmen wie Terroristen das Regiment im Haus, tyrannisieren die Gastgeber Gottlieb und Babette B. und werden zu ihren Dämonen. Nur geringe Gegenwehr kommt von Biedermann: Sebastian Tessenow macht daraus eine Mischung aus Angsthase und Großmaul. Unter Zittern und gequältem Lächeln versucht er, die Kontrolle zurückzugewinnen. Und lädt die beiden zu einem Gänseessen ein, das zu einer schwarzen Messe geriert. Zunächst zerhackt und zerfranst Frau Biedermann mit feuerroten Haaren das Federvieh – mit riesigen Schlachter-Handschuhen. Sie (Hanna Werth/Tabea Bettin) serviert das letzte Abendmahl auf einer dunklen Tafel: Teller, Besteck, Kerzen und Leuchter – alles in Schwarz. Eine Szene, die an Gothic-Grusel erinnert.
Bei jedem Versuch, das Ruder wieder zu übernehmen, zögert Biedermann aber, obwohl Schmitz und Wilma (Sophie Stockinger als kaltschnäuzige Rockerbraut mit scharfer Stimme und kantigen Bewegungen) keinen Zweifel an ihrer Absicht lassen, das Feuer zu legen. Ihre beste Tarnung sei die Wahrheit, sagt Wilma dem Biedermann. Nachgiebig, feige und mit verlogenen Argumenten wird er so zum Opfer seiner selbst. So reißen schließlich züngelnde Flammen Haus und Provinzstadt nieder und begraben unter Trümmern vermutlich sämtliche Biedermänner.
Wie ein allwissender Erzähler kommentiert ein Feuerwehrhauptmann die Etappen des Comics. Dargestellt von Thiemo Schwarz, der in bedächtigem Ton seine Bahnen zieht und die Gedanken von Max Frisch zu Biedermännern, Spießbürgern und kriminellen Brandstiftern erklärt. Bezüge zu aktuellen Vertretern dieser Spezies zieht jeder in seinem Kopf. Ein weiterer Vorteil dieses packenden Theaterabends von Format.
Termine: 8., 30. Okt., 5., 9., 15., 28. Nov., 31. Dez. (Tal.: 0211/36 99 11)