Friedenspreisträgerin Margaret Atwood: Eine Autorin von sprühender Energie

Frankfurt/Main (dpa) - Von der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten haben - unfreiwillig - einige Schriftsteller profitiert. Dazu gehört Margaret Atwood, die ähnlich wie George Orwell in ihren Büchern ein Sensorium für unheilvolle Tendenzen in liberal verfassten Gesellschaften entwickelt hat.

Foto: dpa

Bereits vor mehr als 30 Jahren beschrieb die kanadische Autorin, wie sich das große Nachbarland USA unter dem Einfluss der christlichen Rechten in eine fundamentalistische Theokratie verwandelt. Frauen werden systematisch erniedrigt und übernehmen die Rolle von Gebärmaschinen. Das Buch („The Handmaid's Tale“/deutsch: „Der Report der Magd“) liegt derzeit wieder überall in den Buchläden aus. Die aktuelle gleichnamige TV-Serie erhielt vor wenigen Wochen in Los Angeles einen Emmy.

Die zierliche Atwood, die schon als Teenager unbedingt Schriftstellerin werden wollten, sprüht trotz ihres Alters von nunmehr 77 Jahren immer noch vor Energie und Tatkraft. Über die Jahrzehnte hatt sie ein gewaltiges Werk von mehr als 50 Büchern aufgebaut. Neben Romanen gehören dazu Kurzgeschichten, Essays, Theaterstücke, Drehbücher, Hörspiele, Opern-Libretti, Kinderbücher und sogar Comics. Keine Gattung ist der Autorin fremd. Daher wurde sie auch immer wieder für den Literaturnobelpreis gehandelt.

Den internationalen Durchbruch schaffte sie 1985 mit dem dem „Report der Magd“. Auch mit der weltweiten Finanzkrise hat sich Atwood in einem Essay beschäftigt („Payback. Schulden und die Schattenseiten des Wohlstands“, 2008).

In den vergangenen Jahren hat sie in ihrer Endzeit-Trilogie („Oryx und Crake“, „Das Jahr der Flut“ und „Die Geschichte von Zeb“) eine Welt beschrieben, die sie wegen ökologischer und politischer Probleme dem Untergang geweiht sieht. Auch die Genmanipulation hilft nicht mehr. Auf Deutsch kamen dieses Jahr zwei weitere Romane („Der Herz kommt zuletzt“, und „Hexensaat“) heraus. Gerade eben ist ihr Essayband „Aus Neugier und Leidenschaft“ erschienen.

Auf der Frankfurter Buchmesse zog Atwood am Samstag Parallelen zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. „Das erinnert an die 1930er Jahre.“ Wie damals gebe es starke totalitäre Tendenzen - mit dem Unterschied, dass sie diesmal vor allem auch in den USA zu beobachten seien.

In Nordamerika ist Atwood auch als aktive Umweltschützerin bekannt, die sich vor allem um das Schicksal der Vögel kümmert. Dieser Kampf ist Atwood praktisch in die Wiege gelegt worden. Als Tochter eines Insektenforschers wuchs die Autorin mit ihren Geschwistern in der Wildnis im Norden Kanadas auf. Die Schule besuchte sie erst mit zwölf Jahren. Die Beobachtung von Tieren war Teil ihrer Kindheit, die später zur Passion wurde.

Diese Leidenschaft teilt die studierte Literaturwissenschaftlerin mit ihrem Mann und Kollegen Graeme Gibson. Ob in der Arktis, den USA oder Neuseeland - für das Paar signalisiert der Schwund der Arten die Probleme des gesamten Ökosystems.

Bei allem kämpferischen Engagement hat sich Atwood ihren sehr feinsinnigen Humor bewahrt. Ihrem Mann gibt sie ihre Bücher nie zuerst zum Lesen, weil das die Ehe unnötigerweise belasten könnte, scherzte sie in Frankfurt. „Alle menschlichen Dinge haben eine positive, eine negative und eine idiotische Seite“, witzelte sie über Segen und Fluch des Internets und dümmliche Tweets von „Sex Robots“, deren Nachrichten sie von ihrem Twitter-Account ausgeschlossen hat.