Patricia Highsmith: Hinterhältige Leckerbissen
Das hätte man ihr ja nicht zugetraut. Patricia Highsmith (1921-1995) konnte sich offenbar auch zur Autorin verblüffender Short stories in bester amerikanischer Manier emporschwingen.
In ihrem Nachlass sollen sich sogar eine "Unzahl" (Dirk van Gunsteren) befunden haben. Éine Auswahl daraus können wir in der schönen Übersetzung des Teams van Gunsteren, Christa E. Seibicke und Melanie Walz lesen.
Und manchmal macht eine Story nachgerade perplex, etwa wenn es um die Beziehung zweier Tauben vom Trafalgar Square geht, die in der U-Bahn und Aufzug fahren und bei einer Knabennattacke - es geht um Popcorn - zwar selber überleben, aber das eine Auge des Jungen nicht. Gleich die erste und Titel-Geschichte ist eine mustergültige Studie von Hass und Rachegelüsten, die zwei miteinander lebende alte Geschwister entwickeln können. Wie geschickt man werden kann, wenn es darum geht, den anderen tief und nachhaltig genug zu verletzen! Ihm hinterhältig schmerzhafte Verluste beizubringen. Oder die Studie über eine scheinbar ganz normale schizophrene Lady. Leckerbissen!
Patricia Highsmith: "Schreie der Liebe". Short stories. Manesse Verlag, 89 S., 9,90 Euro.