Ruhrfestspiele: Im Kosmos der Weltraumheiligen

Der französische Tanzschöpfer Angelin Preljocac vertanzte Karlheinz Stockhausens letztes Stück. Der Eintakter "Eldorado" wurde im Rahmen der Ruhrfestspiele uraufgeführt.

Recklinghausen. Als Angelin Preljocac vor etwa einem Jahr einer Einladung von Karlheinz Stockhausen in dessen Studio im Bergischen Land folgte, geriet er ins Staunen. Der fast 80-jährige Avantgarde-Komponist drückte einen Knopf und sein jüngstes und - wie er selbst sagte - letztes Stück erklang: "Sonntags-Abschied". Der französische Tanzschöpfer war hin und weg. Preljocac, der im Jahr 2001 Stockhausens "Helikopter-Streichquartett" - mit mäßigem Erfolg - interpretiert hatte, nahm den Auftrag an, vertanzte das Werk zu Hause in Aix-en-Provence und benannte es "Eldorado". Zur Uraufführung trafen sich der Komponist und der Choreograf bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen - nein, auf einem anderen Stern. Denn Preljocacs sagenumwobenes Goldland ist nicht von dieser Welt - so wenig wie das Alterswerk Stockhausens. Der 45-minütige Einakter lässt an eine galaktische Begrüßungszeremonie für die Besatzung von Raumschiff Enterprise denken. Vor zwölf hochformatigen Stelen, die ein Halbrund bilden, stehen jeweils eine Frau oder ein Mann. Über ihren Köpfen umstrahlen kleine Lämpchen ein sonnenförmiges Relief, so dass die Tänzer im Halbdunkel eine Art Heiligenschein umgibt. Auch ihre Körper konturieren kleine Lichter. Das Motiv der Sonne muss das Zeichen dieser Außerirdischen sein, es wiederholt sich, ebenfalls plastisch, auf ihren hellen Trikots, an Beinen, Rücken, Hüften (Ausstattung: Nicole Tran Ba Vang). Paarweise lösen sich die Tänzer von den Stelen, verharren in Posen, als stünden sie Modell für einen Bildhauer. In dieses Alien-Stillleben dringen Glockentöne, die sich zu elektroakustischen Klangflächen ausdehnen. Es quäkt, es zirpt, es fiept und das zwölfköpfige Sonnen-Volk reagiert mit getragenen Schritten und Balancen. Dann, aufgepeitscht von einem metallischen Ächzen und über die Bühne flutschenden Tönen, geraten die kosmischen Wesen in schnellere Schwingungen und schwirren wie bei Preljocacs Lehrmeister Merce Cunningham als isolierte Elemente durch den Raum. Stockhausens abstrakte Weltraummusik inspirierte den Franzosen albanischer Abstammung zu einer Vision vom Leben auf einem anderen Stern. Voller Eleganz lässt Preljocac sein Ensemble durch dieses sphärische Gewaber waten. Nur bleibt sein Weltraumballett ohne Belang, ja geradezu banal. Entpersönlichte Wesen deuten durch geballte Fäuste, Umschlingungen und schaukelnde Unterleiber Kampf, Gefühle, Fortpflanzung an. Konfrontation und Orgien formt Preljocac in gefällige Ensemble- und Paarszenen mit schlangen- und spinnenartigem Duktus. Doch den züngelnden Händen, gedehnten Gliedmaßen und naiven E.T.-Gesten fehlt jedes kosmische Geheimnis. Und wenn die Aliens sich wieder in etwas kitschige Weltraumheilige verwandeln, indem sie ihre Plätze vor den Stelen einnehmen, fragt man sich schlicht: "War was?" WZ-WERTUNG Musik: 1 von 5 Punkten Choreografie: 3 von 5 Punkten Ausstattung: 3 von 5 Punkten