Theatermarathon: Steins Feldlager in Neukölln

Klaus Maria Brandauer brilliert in Peter Steins zehnstündiger Inszenierung der „Wallenstein“-Triologie.

<strong>Berlin. Das wäre nach dem Geschmack des Bundespräsidenten: Ein "ganzer Schiller" ungekürzt, nicht "entstaubt und problematisiert", sondern von A bis Z auf die Bühne gebracht mit hoher Sprache und Schauspielkunst, wie Horst Köhler es im Schillerjahr 2005 gefordert hatte. Peter Stein hat sich wieder einen Traum erfüllt und nach jahrelanger Vorarbeit Schillers "Wallenstein"-Trilogie an einem Abend in einem zehnstündigen Theater-Marathon (mit vier Pausen und Camping-Szenen auf dem Parkplatz fast wie in Bayreuth) auf die Bühne gebracht - kein überspanntes Regietheater, sondern textgetreue und emotionale Darstellung in historischen Kostümen. Schauplatz der Theater-Schlacht mit "Wallensteins Lager", "Die Piccolomini" und "Wallensteins Tod" über Aufstieg und Fall des Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) war diesmal nach früheren Bühnen-Ausflügen Steins in Messehallen oder Filmstudios eine ehemalige Brauerei in Berlin-Neukölln. Schon von weitem grüßen an den Umfassungsmauern riesige Schriftzüge die Passanten und Besucher: "Peter Stein inszeniert - Klaus Maria Brandauer spielt". Das Mammutunternehmen ist ein Projekt des von Claus Peymann geleiteten Berliner Ensembles. Ein erschöpftes, aber doch animiertes und zeitweise auch gebanntes Publikum belohnte den Kraftakt vom Samstag bis in der Nacht zum Sonntag mit viel Applaus, vor allem für das Darstellerensemble mit Wallenstein Klaus Maria Brandauer an der Spitze und dem grandiosen, mit Szenenbeifall bedachten Jürgen Holtz als General Buttler. Anerkennenden, wenn auch nicht übermäßigen Beifall gab es für Stein, der als Mitbegründer der Berliner Schaubühne vor allem in den 1970er Jahren in der Bundesrepublik Theatergeschichte geschrieben hat. Er wird am 1. Oktober 70 Jahre alt.

Zu den anderen Darstellern gehörten Elisabeth Rath als Gräfin Terzky, Peter Fitz, Friedericke Becht und Elke Petri. Den Prolog mit der Schlusszeile "Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst" sprach ein großer alter Mann des deutschsprachigen Theaters, der 74-jährige Walter Schmidinger.

Die Neugier der 1200 Zuschauer konzentrierte sich auf den 63-jährigen Brandauer, der im Sommer vergangenen Jahres in Berlin die "Dreigroschenoper" inszeniert hatte. Brandauers Wallenstein mit schulterlanger Lockenmähne, ganz in Schwarz gekleidet mit langem Ledermantel und Stulpenstiefeln (in der schweren Rüstung wird es später etwas eng für ihn mit der geschwellten Brust), hat starke, bewegende Momente - dazu gehört auch ein Kuss für den geliebten Max Piccolomini ("Ich habe viele Tausend reich gemacht, dich habe ich geliebt.").

Um das herauszufinden, muss man aber "Sitzfleisch" haben. Viel "Regietheater", wie es Stein in den wilden Aufbruchzeiten des Theaters der 1970er Jahre mitbegründet hat, ist auch nicht zu erkennen. Aber der (fast) "ganze Schiller" ist es allemal, mit zum Teil großen Darsteller-Leistungen - zu hören und zu sehen an jedem Wochenende in Berlin-Neukölln bis zum 7. Oktober.