Schauspiel: Scheitern aus Leidenschaft

Mit Gespür für die Kraft des Wortes zeigt Michael Talke in Düsseldorf die „Buddenbrooks“.

Düsseldorf. Die Angst blickt aus ihren Augen. Zum Familienbild fixiert starren sie in Richtung Zukunft. Noch nimmt jeder Buddenbrook auf dem roten Teppich der bürgerlichen Gesellschaft seinen Platz ein - die Eltern, die drei hoffnungsbeladenen Geschwister. "Glück und Erfolg sind in uns", sagt der Vater. Diese Bürde wird sie brechen: Thomas, den Ehrgeizling, Christian, den Hypochonder und Tony, die Pflichtbewusste. Mit viel Gespür für die Worte Thomas Manns inszeniert Michael Talke die "Buddenbrooks" in Düsseldorf. Zurückhaltend setzt er seine Mittel ein, verzichtet auf Musik, vertraut auf die Ausdruckskraft der erstklassigen Darsteller.

John von Düffel hat den Roman zu einer Theaterfassung verdichtet, indem er sich auf die Kinder konzentrierte: Die letzte Generation in einer hundertjährigen Tradition. Auf der Bühne ist der Niedergang von Anfang an zu spüren. Zunächst noch mit einer Leichtigkeit, später bleischwer und unausweichlich. Wenn etwa Christian den sich anbiedernden Schwager nachäfft: "Die Klatschrosen putzen ganz ungemein" oder nervtötend über schweres Schlucken lamentiert. Markus Scheumann lotet den Charakter seiner Figur gekonnt aus: lässig und larmoyant, zugleich komisch und krank. Nicht Kaufmann und nicht Künstler zieht er haltlos von einem Ort zum anderen.

"Ich muss an meinem Platz sein", sagt Thomas und greift die Seiten seines Pults. Eifrig rechnet er vor, wie schwierig es ist, den Erfolgskurs zu halten. Matthias Leja leistet Außerordentliches: Mit exakt abgezirkelten Bewegungen verkörpert er den Kontrollzwang dieses Stammhalters, oder wie der es nennt: "Die Korrektur der Gefühle dem Leben gegenüber". Doch ihm entgleitet das Geschäft, wie ihm auch die Mitglieder seiner Familie entgleiten. Eine stumme, selbstumarmende Verrenkung zeigt seine Verzweiflung.

Mit Leidenschaft verschmäht Tony ihre große, nicht standesgemäße Liebe. Ohne Erfolg, die vermeintlich guten Partien scheitern. Voll Schuldgefühl übergibt sie die Familienverantwortung an Thomas. Kathleen Morgeneyer balanciert sicher zwischen kindlicher Naivität und bürgerlicher Selbstvergewisserung, Tony übt mit nackten Beinen und wehendem Haar Brustschwimmen, antwortet dem Vater (Michael Abendroth) mit "Gewiss Papa", wenn er sie mahnt, nicht flatterhaft eigenen Pfaden zu folgen.

Wie genau Thomas Mann die Empfindungen seiner Protagonisten zu beschreiben vermochte, verdeutlichen per Videoprojektion eingespielte Passagen. Regungslos rezitieren die Darsteller darin Textauszüge, die ihr Spiel unterstreichen. Ein gelungenes Bekenntnis zur Vorlage.

Bühne: 4 von 5 Punkten