Uraufführung: Die blutige Orestie von heute

Manos Tsangaris führt Regie bei „Botenstoffe“. Der bewegte Abend ist auch ein logistisches Kunstwerk, in dem sich die Abläufe nahtlos zu verzahnen haben.

<strong>Köln. Als Hauptstadt der Neuen Musik setzt Köln sich derzeit in Szene. Während am Freitag in der Philharmonie das Auftaktkonzert der "MusikTriennale" erklang, wurde anderorts zeitgleich das Musiktheater "Botenstoffe.Orestie" zur Uraufführung gebracht. Doch nicht im Opernhaus ging das Werk von Manos Tsangaris über die Bühne, sondern auf vier Stationen in der Kölner Innenstadt, die vom Schauspielhaus ihren Ausgang nahmen und dorthin nach ereignisreicher Reise zum Finale zurückkehrten.

Die Zuschauer lassen sich brav führen und verführen

In Gruppen aufgeteilt war das Publikum aufgerufen, dem zugehörigen Gruppenschild durch das hektische Treiben der Kölner City möglichst diszipliniert zu folgen. Denn der bewegte Abend ist auch ein logistisches Kunstwerk, in dem sich die Abläufe nahtlos zu verzahnen haben. Doch bereitwillig wie eine Reisegruppe folgte das Publikum den Reiseleitern.

Die erste Station ist das weiträumige Foyer des Museums für Angewandte Kunst. Von dort aus geht es in den Untergrund: Ein momentan nur als Aussteigebahnhof fungierender Bahnsteig der Station "Dom/Hauptbahnhof" ist der zweite Theaterort, an dem das Publikum Kopfhörer benötigt, um die vom Verkehrsalltag fast unbemerkt laufende Handlung zu verfolgen.

Tsangaris bespielt die wechselnden Räume mit Geschmack und ohne vordergründig laute Effekte. Eher beiläufig läuft das Familiendrama um Mord und Rache ab und verfehlt doch seine Wirkung nicht. Das verdankt sich auch der sparsam eingesetzten, doch subtilen Musik und dem originellen Wechselbad der Spielorte, deren Atmosphäre von der banalen Schäbigkeit eines gekachelten U-Bahnhofs bis zur knisternden Theaterluft auf schwarzer Bühne reicht. Herzlicher Applaus belohnt den durchdacht komponierten Abend.