Premiere: Wenn Eltern durchdrehen
Schauspiel: Deutsche Erstaufführung von Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ in Bochum.
Bochum. In gebildeten Kreisen will ein Mann heute nicht mehr als Macho dastehen. Höflich hört er den Frauen zu, pflichtet ihnen bei, dass Gewalt zu verdammen sei, und räumt sogar das Kaffeetablett ab. So auch Michel Houillé in Yasmina Rezas neuem Stück "Der Gott des Gemetzels". Felix Vörtler lässt aber doch durchschimmern, dass es einen einfach gestrickten Mann eher anstrengt, mit seiner Frau Véronique so liebevoll umzugehen - gerade in dieser brenzligen Situation. Die Houillés haben Besuch vom Ehepaar Reille, weil deren Sohn Ferdinand ihrem Bruno zwei Vorderzähne ausgeschlagen hat. Die Formalitäten für die Versicherung sind schnell erledigt, man unterhält sich noch etwas: Soll Ferdinand sich entschuldigen bei Bruno, warum ist es überhaupt geschehen? Und plötzlich versiegt die Höflichkeit, aus den Männern brechen die Machos, aus den Frauen die Bestien hervor. Der Gott des Gemetzels hat die Regie übernommen. Die neue Komödie von Yasmina Reza kommt leicht und heiter wie ein Boulevardstück daher und rührt doch an tiefe Abgründe. Das ist die Spezialität der Französin mit russisch-iranisch-ungarischen Vorfahren. In Düsseldorf war schon 1988 "Gespräche nach einer Beerdigung" zu sehen, aber berühmt wurde Yasmina Reza 1994 mit ihrer Erfolgskomödie "Kunst", die in 40 Sprachen übersetzt wurde. Darin ließ ein weißes Bild eine Männerfreundschaft beinahe zerbrechen.
Die Frage nach dem Umgang mit Gewalt wird zum Prüfstein
Ganz ähnlich aufgebaut ist "Der Gott des Gemetzels", in dem die Frage nach dem Umgang mit Gewalt zum Prüfstein für zwei Elternpaare wird. Für Véronique ist die Sache klar, sie lehnt Gewalt scharf ab und plädiert für entsprechende erzieherische Maßnahmen. Imogen Kogge verströmt die biedere Selbstsicherheit einer kultivierten und für das Gute engagierten Frau. Damit geht sie besonders Alain Reille (Klaus Weiss) auf die Nerven, der die Dinge pragmatischer sieht und insgeheim stolz ist auf seinen "wilden" Sohn. Als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt kämpft er schließlich auch mit harten Bandagen, was niemandem verborgen bleibt, denn sein Handy klingelt ständig. Bis seine erschöpfte und verzweifelte Frau (Ulli Maier) es in die Blumenvase wirft. Das elegante Wohnzimmer, das Bernhard Siegl wie einen Kreissektor gestaltet hat, wird rasch zum Kampfplatz. Jeder findet die Schwachstellen des anderen heraus und schlägt erbarmungslos zu. Regisseur Burghart Klaußner, selbst Schauspieler, führt seine Kollegen vielleicht zu sanft durch die Runden, aber er lässt ihnen viel Raum, sich zu entfalten. So wird der Abend zum großen Vergnügen an hervorragenden Darstellern, die an der Premiere zu Recht bejubelt wurden.Am 22. und 23. Mai ist Jürgen Goschs Inszenierung dieses Stücks bei den "Duisburger Akzenten" zu sehen.