Theater Bochum: "Hier sind Frauen und ich"

Intendant Elmar Goerden inszeniert die Uraufführung von Roland Schimmelpfennigs "Besuch bei dem Vater".

Bochum. Noch haben es die Verklärer einer neuen Wertedebatte nicht gemerkt: Roland Schimmelpfennig, der Wünschelrutengänger der Stimmungslagen in der nachbürgerlichen Gesellschaft, hat unter dem Übertitel seiner "Trilogie der Tiere" eine gewaltige dramatische Theodizee geschrieben. Das Schlussstück kam bereits im Oktober 2006 am Wiener Burgtheater heraus, nun wurde am Schauspielhaus Bochum der erste Teil, "Besuch bei dem Vater", uraufgeführt.

Der 60-jährige Anglistikprofessor Heinrich wohnt mit seiner Frau Edith und Tochter Isabel auf dem Land. Auch Marietta, Ediths Tochter aus erster Ehe, sowie die Nichte Sonja sind zu Gast. Im Zentrum thront Heinrich und delektiert sich an der erotischen Atmosphäre - bis Peter, sein Sohn aus einer Affäre, den er seit seiner Geburt nicht gesehen hat, ins Haus schneit. "Hier sind nur Frauen! Nur Frauen und ich!" stellt das alte Alphatier dem Abkömmling sein Revier vor. Der fackelt nicht lange und schläft zunächst mit Sonja, dann mit Marietta, und auch Heinrichs Frau Edith verliebt sich in den virilen Eindringling.

Schimmelpfennig entfaltet das Drama in einer lockeren Folge von geständnishaften Kurzszenen und verdichteten Dialogen mit offenkundigen Parallelen zu Tschechow und Ibsen. Was jedoch zunächst wie ein Rachedrama des Sohnes für die verlassene Mutter oder als Paraphrase des archaischen Vater-Sohn-Konflikts aussieht, entpuppt sich beim Blick auf die gesamte Trilogie als dramatisierte Theodizee. Schimmelpfennig verweist im "Besuch" immer wieder auf Miltons Epos "Paradise lost" und lässt schließlich am Ende Godfather Heinrich wie nach dem Sündenfall seine Kinder Isabel und Peter aus dem Haus treiben.

In den Bochumer Kammerspielen ist das Paradies bis auf eine Projektionswand mit Wolkenbildern seltsam verwaist. Nur an den Bühnenrändern "wuchern" ein paar Möbel, was allerdings die Auftrittswege lang macht und Elmar Goerdens Inszenierung viel an Leichtigkeit, Eleganz und Dichte nimmt. Trotzdem gelingen der Regie eine Reihe eindrücklicher Szenen.