Ruhrtriennale: „Die Soldaten“: In der Zeitspirale der Gewalt
Zimmermanns spektakuläre Oper triumphiert in der Jahrhunderthalle Bochum.
<strong>Bochum. Ein Wiedersehen, dessen Wucht schaudern lässt, diese Geschichte, aufgeschrieben im 18. Jahrhundert und heute von einer Aktualität, als hätte sich die "Vergangenheit" eben erst abgespielt. In Bernd Alois Zimmermanns (1918-1970) zerstörtem Köln der 60er Jahre hallen die Soldatenstiefel noch, lagert der Ruß der Ruinen. Und heute wieder in so vielen Ländern der Welt: Krieg, Raub und Zerstörung der Menschen, ihrer Körper und ihrer Seelen. Es war ein triumphales Ereignis, als die Ruhrtriennale im vergangenen Jahr dieses Jahrhundertwerk aufführte, unspielbar für ein normales Opernhaus: Drei übers Haus verteilte Orchestergruppen (plus Jazz-Combo auf der Bühne), verteilt in einem möglichst riesigen Raum, den ein Könner wie David Pountney bespielen muss. Dazu zwei auf über zehn Monitoren agierende Dirigenten, denn die aufgesplitteten Orchester (Bochumer Symphoniker unter Steven Sloane) spielen verschiedene Tempi. Es braucht erstklassige Solisten für die Zwölftonmusik, selbst die Statisterie muss den enorm komplexen Sprechgesang beherrschen, schauspielern sowieso. All das kostet eine Stange Geld. Doch es wunderte nicht, dass die Kulturstiftung des Bundes, die sich sonst rar macht, hier nicht lumpen ließ, desgleichen die Kulturstiftung des Landes NRW und Sponsoren aus der Wirtschaft.
Die eruptive Expressivität des Werkes hat sich noch gesteigert
Das Gesamtkunstwerk hat sich seither gefestigt, seine eruptive Expressivität noch gesteigert und gesättigt. Von wenigen abgesehen sind sämtliche Solisten erneut zur Stelle (vor allem Claudia Barainsky als Marie, erst jugendlich beschwingt, dann missbraucht) - die ideale Voraussetzung für die Homogenität von vokal und darstellerisch expressiver Gestalt sowie musikalischer Umsetzung.
Wo anders als in der durch Mortier durchgesetzten Bühne der Jahrhunderthalle hätte Pountney seine geniale Idee eines riesig langen Laufstegs und der sich komplett drehenden Bühnen- und Publikumsmaschinerie realisieren können, die perfekt Zimmermanns Idee von der Kugelgestalt von Zeit, Raum und Ort umsetzt, wie sie dem Schauspiel von Jakob Michael Reinhold Lenz zugrunde liegt?
2 1/2 Std., 1 P., Auff.: 7., 9., 11., 13.10, Karten: 0700/20 02 34