Element of Crime „Ein Konzert wie ein warmer Mantel“

KÖLN · Sven Regener und seine Band im Kölner Tanzbrunnen.

Sven Regener in Aktion: Element of Crime verabschiedeten den Sommer im Kölner Tanzbrunnen.

Foto: Peter Kurz

Es hat schon was Surreales, dass die Menschen beim Open Air-Konzert im Tanzbrunnen gerade an dieser Stelle ausrasten. Bei dem nach gut einer Stunde gespielten Lied, das eine niedersächsische Kleinstadt besingt. Da haben sie den Kölner Dom im Rücken. Und den Rhein und ihre schmuddelig-liebenswerte Millionenstadt. Und sind doch begeistert von: Delmenhorst. Na ja, nicht von der Stadt als solcher, so wie Sven Regener deren Tristesse besingt. In diesem schon sehr alten Stück von Element of Crime, das nur vordergründig von der Provinz handelt. Natürlich geht es um das, worum es immer geht. „Ich bin da, wo du nicht bist, und das ist Delmenhorst… sag‘ Bescheid, wenn du mich liebst… Erst wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß.“

Element of Crime ist seit 1985 unterwegs, damals benannt nach einem Film von Lars von Trier. Die sechs älteren Herren haben viel zu bieten, was andere nicht haben. Den Akkordeonspieler etwa, oder die Trompete in der Hand des Frontmanns Sven Regener. Und natürlich dessen sehr besondere Stimme: Rau-knarzig-kratzig. Regener hat mal gesagt, dass er „die Trompete als seine schönere Stimme empfindet“. Und wenn er, der ja auch als Autor („Herr Lehmann“) erfolgreich ist, nicht singt, sondern seine Ansagen macht, dann kommt der in Bremen geborene sympathische Fischkopp zum Vorschein. Die gut gelaunten Plaudereien konterkarieren die meist melancholischen Stücke. „Man muss Kontraste zulassen“, sagt Regener.

Ja gern. Und doch führt die Musik über weite Strecken des Abends zu einem Effekt, den Konzertbesucherin Corinna als ein „eigenartiges Einlullen“ empfindet. „Eine Art Trance, eine besondere Sphäre, in die einen die Lieder versetzen.“ Dann wieder, und daran hat auch das Akkordeon seinen Anteil, ist die Verlockung der Menschen fast zu greifen: sollen sie schunkeln? Aber das können sie denn doch nicht, auch wenn dies hier die Karnevalsstadt ist, es ist schließlich ein Konzert von Element of Crime. Das ist Blues, Rock, Folk, Chanson, einfach gute Musik. Tanzen gern, aber doch nicht Schunkeln.

Ein Ritt durch die vielen Jahre ihrer Kunst unternehmen Element of Crime in diesen gut zwei Stunden. „Weißes Papier“ fehlt natürlich nicht.  „Ohne Liebe geht es auch“. „Jung und Schön“, „Kaltes Herz“, „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“. Sie sind traurig, melancholisch, diese Lieder, dann auch wieder fröhlich, schnodderig. Die Akustik lässt es nicht zu, an diesem Abend jede Zeile zu erfassen, die Regener da ins Mikro knarzt. Und wem es doch gelingt, der hat damit noch lange nicht den ganzen Sinn der Worte erfasst. Logik hilft nicht weiter. Ist eben Poesie, Gefühl.

„Element of Crime ist ein Lebensgefühl, ohne das die Welt weder denk- noch aushaltbar wäre“, hat die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse gesagt. Das ist natürlich maßlos,  erinnert an Loriots herrliches, aber ironisches „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Und doch fasst die Musik einen an. Vor allem das wunderbare Titelstück des jüngsten Albums „Morgens um vier“. Na klar, es geht um (zerbrochene) Liebe, mit Zeilen wie „Für Liebe gibt’s Betten, für die Trennung das Telefon.“ Oder: „Werde ich je wieder schlafen können, dir dein neues Leben gönnen und nichts bereuen?“

Die Show ist sehr oldschool, Scheinwerferlichter wechseln von grün zu rot, zu blau zu gelb und dann wieder zu grün. Sven Regener tanzt nicht, tapst eher wie ein angeschlagener Bär. All das passt, weil Poesie und Musik ganz für sich einnehmen. Oder wie es Element-of-Crime-Fan Hagen, nach mehreren Zugaben noch schwer beeindruckt, ausdrückt: „Ein Konzert wie ein warmer Mantel.“