Action: Die Amazone und das Weichei

„Wanted“ zeigt James McAvoy und Angelina Jolie als Präzisionskiller – erschreckend brutal und moralisch abstoßend.

Düsseldorf. Es ist die Hölle, die Wesley Gibson (James McAvoy) jeden Tag zu durchleben hat. Er wohnt mit seiner Freundin in einem schmierigen Zweizimmer-Apartment direkt an der Bahntrasse, hört sich von ihr jeden Tag aufs Neue an, dass er ein rückgratloser Loser sei, und ist sich dabei völlig bewusst, dass sie ihn mit seinem Kollegen und vermeintlich besten Freund Barry in der Mittagspause hintergeht.

Im Büro erledigt er apathisch seinen Job, erstellt in seiner anonymen Arbeitsbox Tabellenkalkulationen, bis seine Chefin ihn kurz vor Feierabend wegen seiner angeblichen Inkompetenz vor allen Kollegen dem Spott preisgibt. Selbst davon, aus diesem Leben auszubrechen, hat er aufgehört zu träumen. Der Alltag hat ihn ins willenlose Phlegma getrieben, sein immer wieder aufkeimendes Herzrasen bekämpft er mit Betablockern in Dreifachdosen.

Als er sich im Supermarkt mit einer neuen Monatspackung eindecken will, spricht ihn die mysteriöse Fox (Angelina Jolie) an. Unumwunden eröffnet sie ihm, eine Spezialagentin zu sein, die ihn vor einem Killer zu schützen hat. Sekundenbruchteile später pfeifen schon die ersten MG-Salven durch die Produktpaletten und Wesley findet sich auf dem Beifahrersitz eines Sportwagens wieder, an dessen Steuer Fox ihren Verfolger in waghalsigen Manövern schließlich abhängt.

Wohl behalten liefert die Kampfamazone den verstörten Buchhalter im Hauptquartier einer kuriosen Bruderschaft ab, an deren Spitze der elegante Sloan (Morgan Freeman) steht. Von ihm erfährt Wesley, dass er der Sohn eines Killers ist, Teil der Brigade, der auch Fox und Sloan angehören.

Alle haben gemein, dass sie durch überhöhte Adrenalinausschüttung in der Lage sind, klarer zu sehen, sich schneller zu bewegen und exakter zu reagieren als normale Menschen. Auch Wesley hat diese Gabe, wutgesteuerte Hochleistungskraft, die er bislang immer für Angstzustände hielt. Er wird Teil des Killerkommandos, dessen Aufgabe es ist, Terroristen und Psychopathen zu richten, bevor sie zuschlagen können.

Es ist keine dumme Grundstory, die dem schottischen Comicautor Mark Millar eingefallen ist. Krankt "Wanted" aber schon in seiner Vorlage von 2003 daran, lediglich als Ventil für ausufernde Gewaltfantasien zu fungieren, zieht Regisseur Timur Bekmambetov, der Schöpfer der russischen "Wächter"-Reihe, die Brutalitätsschraube für seine Leinwandadaption noch einmal an. Sein virtuoser Stil, Raum- und Zeitebenen durch Zeitlupe und 3-D-Kamerafahrten zu einem optisch überhöhten Perspektivwechselspiel zu montieren, dient hier der widerwärtigen Inszenierung von platzenden Köpfen in Nahaufnahme.

Doch nicht nur das abstoßende Szenario macht "Wanted" zur dümmlichen Triebbefriedigung für Gewaltästhetiker. Auch die Geschichte zerfasert in immer stumpfer eingefädelte Actionsequenzen, an deren Ende ein Plottwist steht, der bei genauer Betrachtung unlogisch in sich zusammensackt.

Selbst die moralische Einordnung ist beängstigend. Von seinen übernatürlichen Fähigkeiten in Kenntnis gesetzt, kündigt der eben noch verschüchterte Wesley seinen Job, nicht ohne seinem Nebenbuhler die Computertastatur so deftig ins Gesicht zu schmettern, dass Blut und Zahnsplitter spritzen.

Es ist die verklemmte Rache eines Eierkopfs, das Faustrecht wird zum Allheilmittel stilisiert. Selbstbewusstsein, Integrität, letztendlich die Fähigkeit, mit seinem Leben etwas Sinnvolles anzufangen, zählen in diesem kranken Mikrokosmos nichts mehr.