Der ewig rüstige Raufbold

Action: Indiana Jones ist nach 19 Jahren Pause auf der Leinwand zurück – doch nach sehr guten Ansätzen endet der Film enttäuschend.

Am Anfang ist der Hut. Ein breitkrempiger Fedora im Staub einer kargen Wüstenbasis. Der Mann, der ihn aufhebt, ist nur als Silhouette auf einer Autotür zu sehen. Schatten und Hut verschmelzen - und aus dem Off tönt leis’ der Anfang einer Fanfare: Ta-ta-da-taa, taa-ta-daa. Er ist zurück. Professor Henry Jones Junior. Indiana Jones. INDY.

19 Jahre nach der ursprünglichen Film-Trilogie schwingt Harrison Ford wieder als abenteuerlustiger Archäologie-Professor die Peitsche. Eine millionenstarke Fangemeinde hat diesem Moment entgegengefiebert - verkörpert doch der tollkühne Wissenschaftler eine Synthese aus Jungen-Phantasien und biederem Alltagsleben, wie sie wohl nur den kongenialen Erzähl-Großmeistern George Lucas und Steven Spielberg einfallen konnte:

Morgens Uni, nachmittags Urwald; Riester-Rentner und Raufbold, Dr. Jones und Draufgänger Indy. Ein Doppelleben, in dem sich vom pubertierenden Jüngling bis zum gefrusteten Büromenschen jeder wiederfindet.

Nun also Abenteuer Nummer vier, "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels". Der Film hat alle Zutaten, die auch seine guten Vorgänger "Jäger des verlorenen Schatzes" (Indy I) und "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" (Indy III) auszeichneten: Eine Schatzsuche nach einem mystischen Artefakt, humorlose Bösewichte, Pointen im Minutentakt und jede Menge spezialeffektschwangere Action.

Im Mittelpunkt steht diesmal ein legendärer Kristallschädel einer alten Indio-Kultur, der - na klar! - ungeheure paranormale Kräfte besitzt. Indy und sein junger Sidekick Mutt (Shia LaBeouf) müssen ihn deshalb vor einer sowjetischen Agentenhorde retten, angeführt von der spröden Stalinisten-Amazone Irina Spalko (Cate Blanchett).

Was denn - Sowjets? Sonst kämpfte Indy doch gegen böse Nazis. Doch auch im Film sind 20 Jahre seit Indys ersten Vorkriegs-Abenteuern vergangen. Obwohl knapp 60, ist Professor Jones dennoch alles andere als ein alter Hut: Spielberg inszeniert seine Jagd nach dem Schädel zunächst mit so viel Tempo, Witz und Selbstironie, als wäre Indy nie weggewesen.

Wenn sich der nicht mehr taufrische Held ausgerechnet in einem Kühlschrank vor einer Atomexplosion rettet, ist das natürlich hanebüchen, aber auch schön hintersinnig. "Hey, nimm’ uns nicht ernst", zwinkert es aus jeder Film-Sekunde, "wir retten doch nur die Welt".

Leichtlebiges Popcorn-Kino à la Achtziger, als das düstere Post-11.-September-Weltbild ganz weit weg war. Als dann noch Indys Jugendliebe Marion Ravenwood (hinreißend: Karen Allen) aus Teil I ihr Leinwand-Comeback gibt, um Mister Ford in rasiermesserscharfen Wortgefechten doch mal alt aussehen zu lassen, ist für eingesessene Indy-Fans das Halleluja-Erlebnis perfekt.

Doch ach: Diese spitzbübische Spielfreude und vor allem der rote Faden der Story geht Spielbergs Ensemble zirka ab der Mitte des Films leider verloren. Der Plot verliert sich im sinnfreien Nirgendwo, das Effekt-überlastete Ende gleitet gar ins Dämliche ab. Schade, Dr. Jones: Da wäre mehr drin gewesen.

Doch der Fan hofft nun auf das Gesetz der Serie: Auch Indy II, der "Tempel des Todes" (1984) litt unter einem schwächlichen Drehbuch - es folgte mit dem "letzten Kreuzzug", der beste Indy aller Zeiten. Wischen wir uns also das Popcorn vom Pulli - und beten für "Indy V".