Der Mythos um die RAF ist tot

Einigen Prominenten wird am Montag erstmals der „Baader Meinhof Komplex“ gezeigt. Er offenbart, dass sich eine neue Sichtweise auf den Terror durchgesetzt hat.

Düsseldorf. Eine Szene an einer deutschen Uni vor wenigen Jahren. Rund 30 Studenten diskutieren über die RAF, als einer sagt: "Letztlich waren das doch nur Mörder, getrieben von einer barbarischen Lust an der Gewalt, am Töten." Stille. Der Dozent, um die 50, schaut in die Runde, suchend nach einer Reaktion, nach Protest. Nichts.

"In den 70ern", sagt er dann zu dem Studenten, "hätte ich Sie jetzt vor den Übergriffen ihrer Kommilitonen schützen müssen. In den 80ern wären Sie wüst beschimpft worden. In den 90ern hätten wir eine lebhafte Diskussion gehabt. Aber heute", sagt er und seufzt, "das ist halt eine neue Generation."

Am Dienstag wird der RAF-Film "Der Baader Meinhof Komplex" in München uraufgeführt. Es ist die erste Gelegenheit für eine handverlesene Gruppe Prominenter, das mit Spannung erwartete Werk auf der Grundlage des gleichnamigen Buches von Ex-Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust zu begutachten.

Der Spiegel, dessen Chef Aust noch bis vor wenigen Monaten war, attestierte dem Stoff schon im vorhinein eine durchschlagende Wirkung: Der Film zerstöre den "Mythos RAF". Aber ist der "Mythos" nicht schon verschwunden? War er nicht ein Projekt eines Teils derer, die sich durch 1968 und die Folgen sozialisiert sahen?

1986, sagte Stefan Aust dem Zeit Magazin, habe er bei dem ersten Film auf Basis seines RAF-Buchs ("Stammheim") festgestellt, dass die Schauspieler von einer "gruseligen Ehrfurcht und vielleicht auch Sympathie" gepackt waren. In den 70ern ging das oft noch weiter: In linken Kreisen und unter Intellektuellen fanden sich viele, die den gesuchten RAF-Terroristen Unterschlupf gewährt hätten oder zumindest behaupteten, das tun zu wollen.

Getrieben waren sie von der Überzeugung, dass die RAF ja eigentlich einen richtigen Kampf gegen eine "faschistisch" anmutende Staatsmacht führte - nur mit den falschen Mitteln.

Wer 1967/68 erlebt hatte - den Tod von Benno Ohnesorg, die Schüsse auf Dutschke, die Hetze der Boulevardmedien und weiter Teile der Bevölkerung gegen die als "Revoluzzer" verschrieenen Linken - der hatte einen anderen Zugang zu den RAF-Terroristen.

Man glaubte, ihre Motive nachempfinden zu können und die Radikalisierung zu verstehen, auch wenn man sie nicht guthieß. Wer heute ohne diese Geschichte auf die RAF schaut, der kennt die Bilder vom zur Schau gestellten Hanns-Martin Schleyer, von zerschossenen Autos und von den lachenden Baader und Ensslin auf der Anklagebank. Sympathie baut sich da schwer auf, Ehrfurcht schon gar nicht, nur das Gruseln bleibt.

"Der Baader Meinhof Komplex", der am 25. September in die Kinos kommt, dürfte diese Sicht verstärken. Er zeigt schonungslos die Brutalität und Kälte der Täter, nimmt auch die Opfer-Perspektive ein. Es ist jedoch nicht der Film, der die Wahrnehmung der RAF verändern wird, es ist die Veränderung der Wahrnehmung, die sich im Film niederschlägt. Der Mythos von Stadtguerilla, Revolution und Widerstand ist schon zerstört.