Drama: Das schmierige Geld der Mafia

Ab Donnerstag läuft der Preisträger von Cannes „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“.

Düsseldorf. Diese Sonne springt mit einem plingpling-Geräusch an. Sie scheint neonblau. Eine Turbine bläst dem Mann künstlichen Wind auf die nackte Haut. Noch ein paar Minuten muss er sich in dieser klaustrophobisch engen Zelle quälen, dann kündet sein Teint der Welt vom Dolce Vita Italiens: vom Meer und Strand, vom lässigen Machismo draufgängerischer Verführer.

Was Matteo Garrone in dieser ersten Szene seines Films "Gomorrha - Reise in das Reich der Camorra" zeigt, bringt die folgenden zwei Stunden auf den Punkt. Ein gezielter Kopfschuss beendet den Sonnenstudio-Besuch. Brutale Gewalt, vollgemüllte Straßenzüge, in denen schäbige Typen bestimmen und dabei meinen, ein großes Rad zu drehen. Schmierige 50-Euro-Scheine wechseln die Besitzer. Drogen, Rache, Mord - alles ganz normal in dieser Gegend um Neapel. Und dabei so unsexy wie Sonnenstudiobräune.

"Gomorrha" basiert auf dem Bestseller des Italieners Roberto Saviano, der mit seinen Enthüllungen über die Mafia 2006 nicht nur einen weltweiten Erfolg landete, sondern seitdem um sein Leben fürchten muss. Matteo Garrone drehte an den Originalschauplätzen, seine Bilder wirken dokumentarisch.

Wie zufällig aufgenommen zeigen sie etwa die beiden Halbstarken Marco und Ciro, die in einem verfallenen Kuhstall eine Kiste mit Gewehren und Munition gefunden haben. In ihren Unterhosen stehen sie am Strand, fühlen sich stark und ballern gen Horizont. Ihr Rausch kündigt an, was bald passieren wird. Sie wollen töten.

Es gehört zu den Stärken des in Cannes preisgekrönten Films, dass der Zuschauer eine Distanz zu den Protagonisten behält, sich mit niemandem identifiziert. Immer wieder wechselt Garrone die Perspektive, erzählt eine andere Facette des mafiösen Treibens. Nie gerät er so in den Dunstkreis der Mafia-Filme, die Dealer und Mörder zu Helden stilisieren. Er begleitet den 13-jährigen Totò.

Noch trägt der Junge alten Frauen die Einkäufe nach Hause. Die Wohnblock-Betonwüste erinnert an Bilder aus Kriegsgebieten im Osten. Auf dem Dach stehen Jugendliche. Sie bewachen das Revier. Totò will zu ihnen gehören. Er stellt sich seiner ersten Prüfung, zieht eine schusssichere Weste an und hält es aus, dass ein Mann nur wenige Meter entfernt auf ihn zielt und abdrückt. Den blauen Fleck auf seiner Brust betastet er wie ein Ehrenmal. Und dann steigt er ein, schmuggelt Drogen, genießt Geld und Ansehen und verrät alte Freunde.

Vorlage und Film blicken genau hin, wer wen für was bezahlt. Fässer mit giftigem Müll verschwinden im Steinbruch. Der Bauer, dem das Land gehört, weiß genau, dass sie das Gebiet verseuchen. Das Geld ist ihm wichtiger. Der Schneider Pasquale hält dem Druck seiner Auftraggeber nicht mehr stand.

Chinesen werben ihn ab, heimlich verrät er ihnen die Kunst, Designermode zu fälschen und bringt sich damit in höchste Gefahr. Und selbst Don Ciro, der den Armen das Wohngeld aushändigt, gerät zwischen die Fronten. Er will aussteigen. Doch das ist in diesem Netz nicht möglich. Zumindest nicht lebendig.