Neues Meisterwerk der Coens

„A Serious Man“ erzählt die unfreiwillige Sinnsuche eines jüdischen Professors.

Düsseldorf. Auf den ersten Blick haben sich die Coen-Brüder bei "A Serious Man" von ihrem gängigen Handlungsmuster verabschiedet. Hier gibt es keine Kleinkriminellen und auch keine Normalos, die zu Kleinkriminellen werden, weil sie denken, sie müssten sich jetzt endlich nehmen, was ihnen ihre Aufrichtigkeit bislang verwehrt hat.

Nein, im Zentrum steht ein jüdischer Professor im Jahr 1967, der mit seiner Duldsamkeit gegenüber der Familie, seiner Begeisterung für den Job als Physikdozent und seiner ständigen Hilfsbereitschaft ein wahrhaftiger Ausbund an Rechtschaffenheit ist.

Trotzdem, und das ist das Gemeine an "A Serious Man", gerät das Leben von Larry Gopnik (Michael Stuhlbarg) aus den Fugen: Die Frau will die Scheidung, die Kinder sprechen nur mit ihm, wenn sie Geld brauchen, der bankrotte Bruder nutzt seine Gastfreundschaft schamlos aus und ein koreanischer Stipendiat versucht ihn zu bestechen, um das Semester zu bestehen, was wiederum Larrys Beförderung in eine höhere Tarifstufe gefährdet.

Während es bei den Coens normalerweise die Dummheiten etwas einfach gestrickter Zeitgenossen sind, die ein unkontrollierbares Chaos auslösen, ist es hier das bloße Nichtstun, noch dazu eines Akademikers, das ins Verderben führt. Larry erträgt die asozialen Kapriolen seiner Umwelt mit biblischer Demut.

Die kleinen Ausbrüche, die er sich gönnt, beispielsweise ein bekifftes Schäferstündchen mit der wollüstigen Nachbarin, finden nur in seinem Kopf statt. Damit der Schädel nicht platzt, sucht er Rat bei einem Rabbi.

Doch die Bitte um spirituellen Beistand wird zur Odyssee: Der erste Rabbi redet viel, aber sagt nichts, der zweite hört nicht richtig zu und der Dritte hat nur einen kleinen, zwar sinnhaften, aber wenig tröstlichen Kalenderspruch für Larry parat: Man kann nicht alles wissen. Probleme löst das nicht. Im Gegenteil. Es schärft nur das Bewusstsein für den Schlamassel, der auf Larry zuhause wartet.

Mit "A Serious Man", zu deutsch: ein ernsthafter Mann, ist den Brüdern Ethan und Joel Coen erneut ein Meisterstück gelungen. Mit stoischer Verbissenheit zeigen sie am Beispiel eines scheinbar mustergültigen Mitglieds der Gesellschaft, dass das Leben nicht steuerbar ist.

Der Ton, der den Film beherrscht, schwankt dabei zwischen leisem Zynismus und ernüchterter Kapitulation. Selbst gegen Ende, wenn man als Zuschauer schon das Schlimmstmögliche erlebt zu haben glaubt, was diesem Larry Gopnik noch widerfahren könnte, setzen sie noch eins drauf.

Gut haben sie daran getan, die Figuren mit weitgehend unbekannten Darstellern zu besetzen. Hätten Kaliber wie Clooney, Pitt und Malkovich, so wie im letzten Film der Coens, "Burn After Reading", die Hauptrollen übernommen, wäre es lediglich ein netter Slapstick mit ein wenig Tiefgang geworden.

"A Serious Man" allerdings geht wieder an die Substanz, gleichwohl die geschliffenen Dialoge und die manchmal sketchhafte Inszenierung eher an eine Komödie erinnern. Doch das Lachen, das einem bisweilen entfährt, bleibt im Halse stecken. Denn bei den Coens ist das Leben lediglich das Warten auf den Tod. So schön man es sich auch gestalten möchte, es endet jäh.