Oscar-nominiertes Märchen "Pans Labyrinth": Die Monster des Terrors

„Pans Labyrinth“: Das mexikanische Oscar-nominierte Märchen für Erwachsene schildert genial das Wesen des Faschismus.

Düsseldorf. Jeden Abend legt Ofélia (Ivana Baquero) ihren Kopf auf den Bauch ihrer schwangeren Mutter und erzählt eine Geschichte, lässt ferne Königreiche und liebenswerte Fabelwesen auferstehen, deren Existenz von düsteren Mächten bedroht wird. Die Elfjährige hat einen Hang zu offenen Enden. Ihr Lieblingsmärchen handelt von einer Prinzessin, die ihre Unsterblichkeit opfert, um das Reich der Menschen zu besuchen. Ihr Vater, der König, wartet bis heute auf die Rückkehr seiner Tochter. Es ist nun mal die Hoffnung, die zuletzt stirbt.

Auch Ofélia hofft. Dass ihre Mutter sie wegbringt, fort vom Stiefvater, Capitan Vidal (Sergi López), einem fanatischen Franco-Gefolgsmann, der 1944 in den Bergen Spaniens die republikanischen Rebellen mit unvorstellbarer Grausamkeit verfolgt. Damit er bei der Geburt seines Kindes dabei sein kann, hat er seine Frau gemeinsam mit Ofélia zu seinem Stützpunkt, einem umfunktionierten Gutshof, bringen lassen. Abgestoßen von der bedrohlichen Gefühlskälte des Franquisten flüchtet sich Ofélia in ihre Fantasiewelten. In einem Steinlabyrinth im Garten des Hauses begegnet ihr eine skurrile Gestalt, die sich ihr als Pan vorstellt. Das Wesen hält Ofélia für die verschollene Prinzessin. Drei Aufgaben müsse sie bestehen. Dann könne sie heimkehren, ins Königreich ihres Vaters.

Mit genialischer Detailverliebtheit erzählt der mexikanische Fantasy-Experte Guillermo del Toro in "Pans Labyrinth" eine Parabel auf die Gräuel des Faschismus. Nur zwei Auswege gibt es aus totalitären Regimes: die Fantasie und den Tod. Alles, was dazwischen liegt, sind Kompromisse, die die Seele des Menschen preisgeben. Auch Ofélia wird auf die Probe gestellt. Immer wieder stößt sie im Labyrinth auf scheinbar harmlose Verführungen, die sich als martialische Monster entpuppen, deren widerliche Antlitze sie zur Kapitulation zwingen sollen.

Die Kreaturen sind allerdings nichts im Vergleich zu der schmerzhaft realen Brutalität, mit der Capitan Vidal seine Hetzjagd gegen Andersdenkende vollzieht. Einem vermeintlichen Rebellen zertrümmert er mit dem Boden einer Wasserflasche das Gesicht. Bewusst fängt die Kamera diesen Akt nackter Gewalt ein. Der Zuschauer darf sich bei aller Märchenhaftigkeit nicht in Sicherheit wiegen.

Del Toro tariert gekonnt den schmalen Grat zwischen überbordender Fantasiewelt und den Schrecken des Faschismus aus, bebildert seine Geschichte mit kauziger Verspieltheit und unerbittlichen Horrorsequenzen. Das Wesen des Faschismus am Beispiel des spanischen Bürgerkriegs und seiner Nachwehen hat der 40-Jährige bereits in "The Devil’s Backbone" (2001) verarbeitet. War die Almodovar-Produktion damals sein Gesellenstück, hat er nun mit "Pans Labyrinth" sein Meisterwerk abgeliefert. Makelloser können Handlung, Darstellung und Bildsprache nicht ineinander greifen.