Trickfilm: "Die Simpsons" - Subversiv und liebenswert

„Die Simpsons“ beweisen bei ihrem Ausflug auf die Leinwand, dass sie genauso absurd sind wie im Fernsehen. Nur länger eben.

Düsseldorf. Endlich! Maggie, jüngster, stets Schnuller bewehrter Spross des Simpson-Clans, spricht ihr erstes Wort. So viel sei verraten, es ist eine Bombe, die sie platzen lässt. 20 Jahre lang hat sie das grenzdebile Treiben ihrer Eltern, ihrer Geschwister, der gesamten Einwohnerschaft des fiktiven Städtchens Springfield kommentarlos zur Kenntnis genommen. Und wer dabei psychopathische Massenmörder, atomare Super-Gaus und, vor allem, die erbarmungswürdige Blödheit des eigenen Vaters unbeschadet überstanden hat, dem darf als erstes Wort nicht so etwas Banales wie "Mum" oder "Dad" rausrutschen. Maggie hat ihre Reifeprüfung also schon mal bestanden. Und einen besseren Rahmen als den ersten Leinwandausflug ihrer Sippschaft hätte sie sich dafür nicht aussuchen können. Zumal den Machern der vielleicht besten, aber in jedem Fall langlebigsten TV-Show aller Zeiten mit ihrem ersten Film etwas ganz Besonderes gelungen ist. In erster Linie deshalb, weil sie es vermieden haben, etwas ganz Besonderes machen zu wollen. Klar, im Film rettet Homer seine Heimatstadt vor der Sprengstoff-Apokalypse, die durch eine militärische Geheimaktion droht. Es ist aber bei Weitem nicht das erste Mal, dass die gelbe Trantüte, mehr zufällig denn beabsichtigt, als Lebensretter in Erscheinung tritt. Er entspricht damit dem uramerikanischen Grundsatz, gerade biegen zu müssen, was man selbst in die Grütze gefahren hat. Wer das zu leisten imstande ist, darf auf vollständige Wiedereingliederung in die Gesellschaft hoffen, seien seine Vergehen noch so kapital. Das ist auch der Grund, warum Homer zu Beginn einer jeden Simpsons-Folge wieder bräsig-zufrieden auf seiner Couch vor sich hinvegetieren darf, anstatt im Gefängnis oder im Irrenhaus zu sitzen.

Homer liefert Seitenhiebe auf die eigene Serie

Zu Beginn des Films sitzt er nicht im Wohnzimmer, sondern im Kino. Gezeigt werden "Itchy und Scratchy", das martialische Katz-und-Maus-Duo, das im Simpsons-Mikrokosmos die verharmlosende Gewalt angeblicher Kindersendungen wie "Tom und Jerry" parodiert. "Warum soll ich mir etwas im Kino anschauen, was ich jede Woche im Fernsehen sehen kann?", blökt Homer die übrigen Besucher an - und liefert mit solchen, für die Serie typischen selbstreferentiellen Seitenhieben den Grund dafür, warum man als Fan nicht auf die DVD-Veröffentlichung, geschweige denn die Fernsehausstrahlung warten kann. Die Simpsons sind im Kino genauso absurd, genauso tiefgründig, genauso subversiv, dabei aber auch genauso menschlich und liebenswert, wie sie es immer sind. Nur sind sie es diesmal eben länger. Den Sondermüll soll Homer zur Deponie bringen, doch aus Gründen der Zeitersparnis, entsorgt er den Abfall im Stadtsee, der seit einem Gutachten unter striktem Naturschutz steht. Damit beschwört er eine Staatskrise herauf, in deren Verlauf Präsident Arnold Schwarzenegger die Umweltsündergemeinde unter einer Panzerglasglocke verschwinden lässt.

Eigentlich also nichts Besonderes, womit Homer sich da konfrontiert sieht. Entsprechend erduldet er sein Schicksal auch diesmal mit der ursprünglichen Grandezza eines Simplicissimus, der sich die Konsequenzen seiner Handlungen erst in dem Moment bewusst macht, wenn die wenigen Werte, für die er lebt - in Homers Fall Essen, Schlafen, seine Familie - in Frage gestellt werden. Dafür zu kämpfen lohnt es sich. Und um zu Beginn der nächsten Folge wieder auf der Couch zu sitzen.