Walkürenritt mit Tom Cruise

Politiker, Künstler und Sektenexperten streiten sich, ob das Scientology-Mitglied den Hitler-Attentäter Stauffenberg spielen sollte.

Berlin/Potsdam. In einer Woche beginnen im Potsdamer Babelsberg-Studio die Dreharbeiten zu "Valkyrie" ("Walküre") - einen Tag, bevor sich das gescheiterte Hitler-Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg zum 63. Mal jährt. Schon im Vorfeld wurde daraus ein transatlantisches Skandalum.

Auslöser war ein Drehverbot für "Valkyrie"-Regisseur Bryan Singer im Berliner Bendlerblock, in dem Stauffenberg 1944 hingerichtet wurde. Die "Würde des Ortes" sei gefährdet, hieß es. Die Begründung scheint fragwürdig, denn Joe Baier drehte 2003 für seinen ARD-Film "Stauffenberg" am Originalschauplatz. Deutsche Politiker hatten zudem kritisiert, dass ausgerechnet das Scientology-Mitglied Tom Cruise den deutschen Widerstandskämpfer Stauffenberg verkörpern soll.

In den Feuilletons liefern sich bis heute Regisseure, Sektenbeauftragte und Politiker einen heftigen Schlagabtausch. Dabei gibt es drei Argumentations-Stränge. Der erste dreht sich um Cruise als Sektenmitglied. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter sagte, Scientologen hätten es nicht verdient, öffentlich als "coole Superstars" dargestellt zu werden. Ganz anderer Meinung ist Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der Anderen"). Der Regisseur schrieb in der FAZ, Cruise werde in der Rolle des "Übermenschen" Stauffenberg "das Ansehen Deutschlands mehr befördern als zehn Fußball-Weltmeisterschaften".

Die Reaktion kam prompt: Die "taz" ereiferte sich über Donnersmarcks "monströses Begehren nach Hierarchie", und Peter Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, nannte es "würdelos", wenn eine Persönlichkeit wie Stauffenberg an den Glanz eines Kinostars gekoppelt werde.

In den USA versteht man den Trubel nicht. Anders als in Deutschland, wo Scientology vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist die Organisation in den USA als Religionsgemeinschaft anerkannt. "Es gibt keinen besseren Weg an die Nazi-Ära zu erinnern, als einem Mann wegen seines Glaubens die Arbeit vorzuenthalten", empörte sich ein Redakteur der "Philadelphia Daily News".

Der zweite Argumentationsstrang dreht sich um Cruise als Schauspieler. Zu dem Beruf gehöre es, nicht bloß sich selbst zu spielen, deshalb könne auch ein Wiedertäufer einen Atheisten spielen oder eben "ein amerikanisches Sektenmitglied einen deutschen Offizier", schrieb Peter Körte in der FAZ am Sonntag.

Dritte thematisieren die Debatte an sich. "Was wir erleben ist eine Scientology-Kampagne", sagte der evangelische Sektenexperte Thomas Gandow aus Berlin im Gespräch mit unserer Zeitung. "Sie haben genau das erreicht, was sie wollten: Dass ein Scientologymitglied mit Stauffenberg verglichen wird." Heinrich Wefing hatte in der FAZ kommentiert, die Freiheit, für die Stauffenberg gestorben sei, müsse auch für "Schauspieler mit abseitigen Weltanschauungen" gelten.

Laut Gandow gehört es zu der Scientology-Taktik, sich mit positiven Inhalten in Verbindung zu bringen. "Ein totalitäres System tarnt sich, indem sie einen von sich einen Gegner des Totalitarismus spielen lässt", sagte Gandow. Ähnlich argumentiert die Hamburger Sektenexpertin Ursula Caberta: "Wenn Tom Cruise den wichtigsten Helden des deutschen Widerstands spielt, dann sagt er damit: Wir Scientologen bekämpfen die Nazis. Er will Politik machen." Laut Caberta gibt es auch Rollen, die besser zu einem Scientologymitglied passen. "Den Blutsauger aus ’Interview mit einem Vampir’ zum Beispiel."