Wenn Herzen politische Grenzen überwinden
Die Doku „Das Herz von Jenin“ zeigt das Schicksal zweier Familien in Israel und Palästina.
Düsseldorf. Das Flüchtlingslager Jenin im Westjordanland zählt zu den höllischsten Schauplätzen des Nahostkonflikts. Die Schrecken der Intifada scheinen sich an diesem Ort zu potenzieren. Die bitterarmen Einwohner, etwa 15 000 an der Zahl, teilen sich ihren Lebensraum auf einer Fläche, die gerade einmal dreimal so groß ist wie der Berliner Zoo.
Die Hoffnungslosigkeit macht Jenin zur Brutstätte palästinensischer Selbstmordattentäter: Die Terrororganisationen "Islamischer Dschihad" und "Hamas" haben dort ihre Hochburgen. Nur an wenigen anderen Orten patrouilliert die israelische Armee mit einer derartigen Intensität.
Jenin steht im Fokus einer Dokumentation, die am 7. Mai in deutschen Kinos anläuft. "Das Herz von Jenin" heißt der Film, und seine Macher, die Regisseure Marcus Vetter und Leon Geller, haben sich zur Aufgabe gemacht, von Jenin ausgehend das Verhältnis zwischen Palästinensern und Israelis zu veranschaulichen.
Der Aufhänger ist eine wahre Geschichte aus Jenin, die wie ein Märchen klingt: Im November 2005 verliert der palästinensische Automechaniker Ismail Khatib seinen zwölfjährigen Sohn Ahmed. Er ist von der Kugel eines israelischen Soldaten niedergestreckt worden.
Der Vater entscheidet sich, die Organe zu spenden - zum Schock seiner Angehörigen auch an Kinder des Erzfeinds. Das Leben sechs junger Menschen kann gerettet werden, darunter auch Israelis.
Die Dokumentation porträtiert diesen großmütigen Mann, zeigt die Trauer um seinen Sohn und seine trotzige Überzeugung, dass Frieden möglich ist, wenn die Menschen einander mehr Vertrauen mehr schenken. All das vor der deprimierenden Kulisse Jenins, wo Kleinkinder mit Spielzeugwaffen Krieg spielen und Häuser nur Bruchbuden sind.
Dann begleiten die Filmemacher Ismail Khatib auf seine Reise zu den Familien der geretteten Kinder. Dabei begegnen sie ganz gewöhnlichen Leuten - und keinen Offizieren, keinen Attentätern, keinen Politikern. Vetter und Geller halten ihre Verzweiflung und Hilflosigkeit fest, zeigen, dass der Konflikt sie müde macht und innerlich zerreißt.
Auf einmal erscheinenen Palästinenser und Israelis nicht mehr als aufgeputschte Kombattanten, sondern als Menschen. Für den europäischen Zuschauer, der sonst nur die üblichen Fernsehsequenzen von blutigen Gefechten gewohnt ist, ist das eine ganz neue Perspektive.
Wer diesen Blickwinkel weiter vertiefen will, sollte sich Zeit für diesen Film nehmen. Bei der Düsseldorfer Preview wird mit Ismail Khatib jener Mann aus Jenin zugegen sein, der diese Geschichte möglich gemacht hat. Khatib will das Gespräch mit den Zuschauern suchen - und vom Nahostkonflikt ein Bild jenseits der Klischees vermitteln.