Cowboy und Taliban - Neue Werke von Daniel Richter

Hannover (dpa) - Kämpfer mit Maschinengewehren scheinen im Feuerhagel über Lava zu laufen, ein bärtiger Turbanträger gibt einem Cowboy auf einer Klippe Feuer, ein Gotteskrieger steht einsam wie der Marlboro-Mann auf einem Felsen.

Die neuen Ölgemälde und Zeichnungen des Berliner Malers Daniel Richter beschäftigen sich damit, wie die Terroranschläge vom 11. September 2001 die Sicht des Westens auf den Orient verändert haben.

„10001nacht“ heißt die Ausstellung in der Kestnergesellschaft Hannover - die zusätzliche Null steht für Ground Zero. Vor der Eröffnung am Samstag führt der 48-Jährige - noch etwas zerknittert von einer Polarexpedition nach Grönland - vorab durch die Schau.

„Die Entscheidung, die sind doch Taliban, liegt im Auge des Betrachters“, betont er am Freitag vor einem Bild mit einem Turbanträger. Die Märchenfigur des edlen Wilden etwa aus Karl-May-Filmen sei nach 9/11 zum vollbärtigen Terroristen geworden.

„Die Auseinandersetzung mit 9/11 ist eine komplett hysterisierte, ideologisierte Debatte, aber ich will mich nicht in die Niederungen der Tagespolitik begeben“, meint der Maler mit der großen Brille und den gefütterten Stiefeln selbstironisch. Im Übrigen trage er die Stiefel noch von der Expedition, sie seien kein Modestatement.

Richter gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen deutschen Künstlern. Seine Arbeiten befinden sich unter anderem in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York und des Centre Pompidou in Paris. Eigentlich sollte er bereits vor einem Jahr in Hannover ausstellen, doch damals entschied der Maler, dass er noch nicht genügend Vorzeigbares fertiggestellt habe.

Jetzt ist es soweit: Im Untergeschoss der Kestnergesellschaft sind apokalyptische Bilder in grellen Farben zu sehen, die an Infrarot-Aufnahmen erinnern. Schattenhafte, martialische Figuren stürmen durch rot-orange fließende Landschaften. Die Bilder könnten aus einem Computerspiel stammen oder mit ihren psychedelischen Farben von einem Drogentrip.

Im oberen Geschoss sind überwiegend schwarz-weiß gehaltene Bilder mit rätselhaften Begegnungen zu sehen. Ein Wolf pinkelt beispielsweise auf einen an einer Klippe hängenden Wanderer.

„Richters Landschaften stellen keine katastrophalen Naturereignisse wie Blitzschläge oder Lawinen dar, sondern sie verweisen auf ökonomische und politische Gewaltstrukturen“, erklärt Kuratorin Susanne Figner, während der Künstler wie ein trotziger Schüler kopfschüttelnd daneben sitzt.

Es sei immer problematisch, eine Kunstform in eine andere Kunstform zu übersetzen, sagt er. Prägende Jahre verbrachte der in Schleswig-Holstein geborene Richter in der Hamburger Autonomenszene, vielleicht scheint ihm deshalb der erhabene Sprachduktus der Kunstwissenschaft suspekt.

Er halte sich daran: „Maler rede nicht, male!“, erklärt Richter und redet dann aber doch. Vor allem davon, wie er seine Arbeitsweise verändert hat. „Ich wollte aufhören, Bilder zu konstruieren, bevor ich sie male. Das hatte sich ausgereizt.“

Richter gießt nun Farbe auf die Leinwand und versucht, viel mit Zufällen zu arbeiten. Von der Landschaftsmalerei in der Romantik geht die neue Werkserie des 48-Jährigen aus: Anstelle von Caspar David Friedrichs Kreidefelsen auf Rügen tritt bei Richter der karge, gewaltige Hindukusch.