Der weite Himmel über dem Niederrhein
Das Museum Schloss Moyland zeigt einen konzentrierten Überblick über die Landschaftskunst seit dem 17. Jahrhundert.
Bedburg-Hau. Wer mit dem Auto in die Niederlande fährt, sieht plattes Land, mehr nicht. Das kann keine Inspirationsquelle für Landschaftsmaler sein, möchte man denken. Doch die Maler des 17. Jahrhunderts versammelten sich in der Region zwischen Niederrhein und Gelderland auf Hügeln von nur hundert Metern Höhe und blickten ins Tal. Dort sah etwa Salomon van Ruysdael die mäandrierenden Flüsse mit ihren Schiffen und Kähnen sowie einen gewittrigen Himmel über Arnheim.
Vor allem der Rhein und die Höhenzüge der Endmoränen um Kleve, Nimwegen, Rhenen und Arnheim hatten es den Malern angetan. Das „Goldene Jahrhundert“ ist die Geburtsstunde der Landschaftsmalerei. Das Museum Schloss Moyland zeigt dies in einer außergewöhnlichen Schau mit dem Titel „Der Himmel so weit — Landschaften der Niederrheinlande“.
Nicht nur Endmoränen, sondern vor allem politische Gründe waren ausschlaggebend für Motive mit nichts als Himmel, Fluss, einigen Menschen und vereinzelten Häuschen. Mit der Abspaltung der nördlichen Provinzen der Niederlande von der spanischen Krone nach dem Westfälischen Frieden vollzog sich der Übergang von der höfischen zur protestantisch geprägten bürgerlichen Gesellschaft. Die neue Käuferschicht war reich. Sie verdiente ihr Geld mit der größten und modernsten Handelsflotte der Welt und pfiff auf sakrale Themen und Herrschaftsdarstellungen. Ihr nüchterner Kaufmannsblick spiegelt sich bei den Künstlern in detailversessenen Naturdarstellungen.
Die Maler bildeten die Licht- und Wetterverhältnisse so genau ab, dass die Meteorologen noch 300 Jahre später bestimmen können, unter welchen Bedingungen die jeweiligen Landschaftsbilder entstanden sind. Das Licht der „Niederrheinlande“, wie man die Gegend zwischen Niederrhein und Niederlanden gern nennt, hat nicht die goldige Wärme Italiens. Es ist blau, klar und geprägt von den gewaltigen Wolkenformationen unweit der Nordsee.
Joseph Beuys ging noch zur Schule, als er mit 15 Jahren eine einsame Pyramidenpappel in den milchigen Himmel ragen ließ, aus einem zitronengelben Vordergrund heraus. Der Baum säumt noch heute die Alleen, durch die der Gymnasiast zur Schule lief. Sein Blatt zeigt, wie kahl die Gegend ist. Das faszinierend gelbe Rapsfeld bestimmt die karge Landschaft.
Ulrich Erben, der in Goch und Düsseldorf lebt, beobachtet die Wolken mit wachsender Begeisterung. Darüber ist der 74-Jährige im Vorjahr zum Maler des Firmaments und zum Fotografen verschiedener Wolkenformationen geworden.
Ob die Protagonisten aus dem „Goldenen Jahrhundert“ Jan van Goyen und Salomon van Ruys-dael, ob die Klever Romantiker um Barend Cornelis Koekkoek, die Oosterbeeker Landschaftsmaler, der Düsseldorfer Max Clarenbach oder die Fotografen der Gegenwart, sie alle haben eine emotionale Bindung zu diesem Landstrich.
Andreas Gursky, der den Rhein in Düsseldorf-Oberkassel vor der Nase hat, schuf das konsequenteste Bild zum Niederrhein: In seinem digital bearbeiteten Foto eliminiert er alle Details. Übrig bleiben drei horizontale Streifen von Himmel, Rhein und Uferzone. Eine abstrakte Komposition ist das Ergebnis.