Kunst und Natur: Loire-Schloss Chaumont
Paris (dpa) - Der deutsche Dichter und Denker August Wilhelm Schlegel gastierte auf dem Schloss Chaumont-sur-Loire und Germaine de Staël schrieb in der luxuriösen Residenz hinter den dicken Mauern ihr berühmtes Deutschland-Buch „De l'Allemagne“.
Das hoch über der Loire liegende Dornröschenschloss war Ende des 19. Jahrhunderts Treffpunkt der europäischen Hautevolee. Heute setzt es den kreativen Geist fort - als erstes Zentrum für Kunst und Natur in Frankreich.
Seit 2007 lädt es bekannte zeitgenössische Künstler - Andreas Gursky, Tadashi Kawamata, Nils Udo - ein, an oder mit der Natur zu arbeiten. Dieses Jahr stellen unter anderem David Nash und Klaus Pinter ihre Werke vor, die eine Brücke schlagen zwischen Kunst und Natur.
Das Schloss ist eines der schönsten Loire-Schlösser und liegt südlich der Stadt Blois. Die mittelalterlichen Mauern überragen von dem 40 Meter hohen Felsvorsprung stolz den Fluss. Die Kulisse ist überwältigend und hat den Land-Art-Künstler David Nash zu monumentalen Holzarbeiten inspiriert. Rote Baumstämme unterschiedlicher Länge ragen im Schlosspark wie Orgelpfeifen aus dem Boden. Vor dem Hintergrund des Schlosses, das Ende des 10. Jahrhunderts von den Grafen von Blois erbaut wurde, wirkt die Holzskulptur gleichzeitig wie eine Mini-Festung aus Türmen.
Die Prinzessin von Broglie entfaltete in Chaumont im 19. Jahrhundert einen Abglanz höfischen Lebens. Auch für ihre Pferde war nur das Beste gut genug. Die Boxen waren beheizt und mit Kacheln verkleidet. Den Pferde-Luxus hat Klaus Pinter als Rahmen für seine Installation ausgewählt. Seit 1967 experimentiert der Österreicher mit aufblasbaren Skulpturen. Unter das Vordach der Luxus-Stallungen hat er eine riesige Kugel gequetscht, auf der 50 Kilogramm vergoldete Magnolienblüten glänzen - fast so wie die naturalistischen Blumenmotive auf den schmiedeeisernen Schlosstoren.
Der in Istanbul geborene und in Paris lebende Künstler Sarkis weckt im Besucher die Abenteuerlust. Seine insgesamt 72 Glasfenster führen durch abgelegene Räume im Dachgeschoss, das seit 1938 nicht zugänglich war. „Sarkis wollte nichts Klassisches, also haben wir den Dachboden geöffnet“, erklärte die Museumsdirektion.
Hier, wo früher die Bediensteten untergebracht waren, glaubt man sich eher in einem Geisterschloss. Nur das Licht, das durch die poetischen Glasfenster des Künstlers fällt - ein blühender Kirschbaum in einem japanischen Garten, ein verlassener Palast am Ufer eines Sees im indischen Ahmedabad -, erhellt die bescheidenen Zimmer, in denen sich verstaubte Helme und ausgediente Stühle stapeln. Sarkis hat die Zeugen der Vergangenheit zu einem Teil seines Kunstwerks gemacht.
Chaumont ist ein Schloss, in dem vorwiegend Frauen wirkten: Katharina von Medici, Diana von Poitiers, Prinzessin von Broglie. Heute befindet sich das Schloss zwar im Besitz von Region und Gemeinde, das Sagen hat jedoch eine Frau. Seit 2007 kümmert sich Chantal Colleu-Dumond um die künstlerischen Visionen des Schlosses. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für Ästhetik hat die Kulturmanagerin das Konzept als erstes Zentrum für Kunst und Natur zu einem visuellen Ereignis gemacht.
Seit 1992 findet in Chaumont auch das berühmte Internationale Gartenfestival statt, ein herausragendes Ereignis im Bereich der Landschaftsgestaltung. Die renommiertesten Architekten wetteifern alljährlich um die originellsten blühenden Visionen. Die kreativen Geister spuken mehrere Monate im Jahr. Das Gartenfestival dauert bis zum 20. Oktober, die Ausstellung international bekannter Künstler bis 6. November.