Tobias Rehberger: Die Schattenwelt der Malerei
Tobias Rehberger führt im Kölner Museum Ludwig seine eigene Kunst hinters Licht. Dabei spielt er mit Realität und Fiktion.
Köln. Die Frage nach Schein und Sein ist so alt wie Philosophie und Kunst. Tobias Rehberger beantwortet sie mit Witz, Intelligenz und einer unschlagbaren Einfachheit. Er stellt und hängt rund 40 Objekte aus den vergangenen 15 Jahren ins Kölner Museum Ludwig, ohne Systematik, ohne Chronologie und ohne Thematik. Anschließend beleuchtet er sie mit so starken Theaterspots, dass sie klare, dunkle Schatten an die gegenüberliegende Wand werfen. Er überführt sein plastisches Werk in die Schattenwelt der Malerei.
Doch das ist nur der erste Schritt zur Verwandlung des Drei- ins Zweidimensionale. Nun beginnt das eigentliche Spiel. Da wird die kunstvoll oder zumindest handwerklich perfekt hergestellte Skulptur, beispielsweise ein Schirm ohne Dach, zum Windpropeller, und Rehberger pinselt dazu als Wandmalerei eine asiatisch anmutende Seenlandschaft mit einer großen, roten Sonnen- oder Mondscheibe. Ein Design-Klassiker als Schattenbild kann eine Comic-Blase vertragen, ein Stuhl-Schatten wird mit dem Edding-Stift farblich aufgepeppt. So schön und doch so falsch ist dieses Werk, dass dem Betrachter die Trennung der Materialien, Techniken und Objekte kaum gelingen will.
Manchmal wirkt die Projektion wichtiger als das originale Kunstwerk, wenn Rehberger Papier-Bäume zu Schattenästen werden lässt und sie vom himmelblau getuschten Firmament mit Sonnenscheibe umgibt. Was ist da eigentlich das Original, was die Fälschung? Ist das anfassbare Objekt echter als der Verschnitt aus materieloser Projektion und hinzugefügten Pinselstrichen?
Pendelleuchten spielen mit ihrem eigenen Filigran, Farbscheiben verwandeln das kalkig-weiße Gegenüber zum Kirchenfenster. Zugleich beschleicht den Betrachter das Gefühl, als werde gleich aus irgendeiner Ecke des abgedunkelten Raums ein böses Lachen ertönen. Verhohnepipelt dieser Kerl aus Frankfurt, Professor für Bildhauerei an der berühmten Städelschule, womöglich jene romantische Kunst der Gegenwart, die heute auf dem Kunstmarkt so teuer gehandelt wird? Da ist der Vogel auf dem Ast und der Hund daneben, aber im scheinbar hilflos gebastelten Vogelkäfig sucht man vergeblich nach dem Piepmatz. Was ist da los mit dieser täuschenden Realität?
Zwischen Wirklichkeit und Fiktion, aber auch zwischen Perfektion und schlecht Gesägtem, provisorisch Gespachteltem, unperfekt Gemaltem gibt es keine Grenzen. Dieser Künstler lässt frische Blumen in eine Vase stellen, und im Nebensatz erklärt er, dazu liefere die Vase das "Porträt" einer Person aus der Sammler-Familie Grässlin. "Die Vase", so fügt er fast entschuldigend hinzu, habe er selbst ausgesucht. An ihrem Nippes sollt ihr sie erkennen?
"Ich habe immer mit der Frage zu tun, was Kunst ist", erklärt er im Gespräch wie selbstverständlich. Und der Genie-Kult der Gegenwart, was hat er dazu zu sagen? "Ich glaube nicht an die Genialität. Es kommt alles irgendwo her. Es gibt keinen göttlichen Funken, es hat alles seine Ursache." Ob die Henne zuerst war oder das Ei? Solche Fragen sind ihm lieb. Er, der ständig damit beschäftigt ist, die Sichtweisen zu hinterfragen. Auf den Titel der Ausstellung bezogen, heißt dies: "Das-Kein-Henne-Ei-Problem". Eines steht jedoch fest: Wer in dieser Ausstellung die Theaterspots abschaltet, hat keine Wandmalerei mehr. So lange der Strom angeschaltet bleibt, erstrahlt das alte Werk im neuen Licht.