Als Kanzler Schmidt noch in die Tasten griff
Zum 90. Geburtstag hat EMI eine alte Mozart-Einspielung neu aufgelegt.
Düsseldorf. Er hat das, was nur noch die wenigsten Politiker besitzen: eine tiefe Verwurzelung in der musischen Bildung. Altkanzler Helmut Schmidt, der am Dienstag 90 Jahre alt wird, kann Klavier spielen, und zwar so gut, dass er sich auf Einladung der Profi-Musiker Justus Frantz und Christoph Eschenbach 1981 (also noch zu Amtszeiten) ins Aufnahmestudio der Londoner EMI begeben konnte, um Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für drei Klaviere und Orchester einzuspielen. Anlässlich Schmidts runden Geburtstags erscheint nun eine Neuauflage der CD. Sie ist heute wie damals ein Verkaufsschlager.
EMI-Chef Peter Andry hatte damals die Katze im Sack gekauft, als die Pianisten Frantz und Eschenbach den Produzenten vorschlugen, "eine mysteriöse Persönlichkeit" als Dritten im Bunde aufzunehmen, um mit dem London Philharmonic Orchestra unter Eschenbachs Leitung Mozarts F-Dur-Konzert KV 242 aufzunehmen.
Zuerst hätte der Startenor Placido Domingo zugesagt, den vergleichsweise leichten Part des dritten Pianisten zu übernehmen, dann aber wieder Abstand von der Sache genommen, erzählt Justus Frantz im Gespräch mit unserer Zeitung. Als er sich mit Andry und Eschenbach beriet, wer nun für Domingo einspringen könnte, habe er plötzlich gesagt: "Ich ruf’ mal den deutschen Bundeskanzler an."
Die Umstehenden staunten nicht schlecht ob des etwas großspurigen Vorschlags und nahmen Frantz die Geschichte nicht ganz ab. Doch dieser griff sofort zum Telefonhörer und war nach nicht allzu langer Zeit mit Helmut Schmidt verbunden.
Der Kanzler fragte am Telefon nur: "Ist der Part auch nicht zu schwer für mich?" Als Frantz erklärte, Mozart habe das Konzert bewusst für zwei Profimusiker und einen Laien komponiert, sagte Schmidt zu. "So jemand wie Helmut Schmidt ist dann auch sehr zuverlässig", sagt Frantz. "Der kommt dann einfach."
Bei Schmidts Ankunft in London 1981 stand Margret Thatcher zum Empfang bereit, im Aufnahmesaal saß jede Menge Sicherheitspersonal. "EMI-Boss Andry hat das Büfett seines Lebens aufgefahren", erinnert sich Frantz. "Doch Schmidt mochte weder Kaviar noch die anderen Delikatessen. Er bat nur um Fish’n Chips."
Die Aufnahmesitzung sei reibungslos verlaufen. "Schmidt konnte sich enorm konzentrieren, hat seinen Part ganz stoisch gespielt und zeigte nicht die geringste nervliche Anspannung." Diese Aufnahme war erst der Auftakt. Wenige Jahre später folgte Bach bei der Deutschen Grammophon, wieder mit Frantz und Eschenbach.
Justus Frantz hatte Schmidt schon 1959 kennengelernt. Justus, damals 14 Jahre, war in der Jungen Union und lud den SPD-Politiker zu einer Diskussionsrunde ein. Diese Einladung führte bei der Jungen Union zum Eklat; Justus verließ CDU und Politik, widmete sich dann umso intensiver der Musik. Der Kontakt zu Helmut Schmidt sollte nicht mehr abreißen. So war Schmidt schon seit den 70er Jahren häufiger Gast in Frantz’ Finca auf Gran Canaria.
Schmidts pianistisches Talent sei ihm schon damals aufgefallen, sagt Frantz. So barg das Mozart-Experiment kein musikalisches Risiko. Beim Abhören der CDs fällt auch eine perfekte Homogenität auf, dass es scheint, als seien alle drei Spieler Berufspianisten.
Helmut Schmidt: Das Mozart-Konzert. EMI, ab 9,95 Euro