Berlinale: Interview mit Doris Dörrie - „Der Film braucht Utopie“

Mit weichen Knien hat Doris Dörrie den Applaus für ihren Festivalfilm „Kirschblüten“ genossen. Sie erzählt die Geschichte eines trauernden Mannes.

Berlin. Elmar Wepper sagt als Rudi resigniert: "Für die Toten kann man nichts mehr tun." Was bedeutet dieser Satz für Sie?Dörrie: Na ja, der zweite Teil des Satzes lautet: Weil wir für die Toten nichts mehr tun können, sollten wir uns umeinander kümmern, solange wir noch am Leben sind. Ihr Film spielt auch in Japan. Worin unterscheidet sich kulturell der Umgang mit dem Tod?Dörrie: Es ist ja so, dass wir uns immer individualistischer begreifen und immer mehr die Verbindung zu unseren Vorfahren kappen. In Japan sieht man die Vorfahren in viel direkterer Beziehung zu sich. "Die Toten träumen von uns", sagt Tadashi Endo. Er unterrichtet in Deutschland Butoh-Tanz. Und das ist ein ganz zentraler Satz für die Film-Geschichte. Sie sagen, wenn die Toten von uns träumen, bekommen wir so etwas wie kleine Postkarten von Ihnen. In welchen Situationen empfangen Sie diese Grüße - etwa von Ihrem verstorbenen Mann?Dörrie: Das ist viel kleiner gedacht. In jedem Blatt oder in einem Stück Obst. In allem, was vergänglich ist. Man kann seinen Blick darauf einstellen und schärfen. Oder man kann eben auch versuchen, es zu verdrängen und alles haltbar zu machen.

"Filmemachen ist ja lächerlich verglichen mit den Fähigkeiten eines Bauern. Davor habe ich Ehrfurcht."

Sie schätzen die Achtsamkeit der Menschen in Japan, ein wichtiger Aspekt des buddhistischen Lebens. Wie sind Sie als Filmemacherin achtsam?Dörrie: Das ist eigentlich nicht so schwer. Die Aufmerksamkeit ist ja in dem Moment, in dem die Klappe geschlagen wird, schon mal erhöht. Wir hatten allerdings noch nicht einmal eine Klappe, so war das Ganze etwas sportlicher angelegt. Wir mussten immer aufmerksam sein - rund um die Uhr. Doch der Blick durch die Kamera ist schon ein sehr meditativer Akt, weil man sich so fokussiert auf diesen Moment. Wie entstand die Idee für den Film?Dörrie: Es gab nicht nur eine Idee. Sie ist gespeist aus ganz vielen Quellen über viele Jahre. Es gab kleine Details wie das rosa Telefon, mit dem ich immer in Japan telefoniert habe. Dann aber auch das Allgäu, der Löwenzahn, dessen Schönheit mich jedes Jahr wieder umhaut. Und die Figur Rudi, die so aussehen sollte wie Peter Lorre von hinten in "M - eine Stadt sucht seinen Mörder". Waren Hannelore Elsner und Elmar Wepper gleich für Sie das Paar Rudi und Trudi?Dörrie: Ich hüte mich beim Schreiben irgendeinen Schauspieler vor Augen zu haben. Dann habe ich nachher Pech, und derjenige kann nicht oder will nicht. Als das Buch fertig war, habe ich es nur Elmar gegeben, und der hat auch sofort Ja gesagt. Die richtige Trudi für Rudi war dann Hannelore Elsner. Wobei mir wichtig war, dass sie Bayerisch kann.

Leicht hätten Sie die beiden ob ihrer Provinzialität der Lächerlichkeit preisgeben können, doch das Gegenteil ist der Fall.