"Buddy ": Rock’n’Roll in Reinkultur

Das Musical „Buddy – die Buddy Holly Story“ in Essen überzeugt durch den Sound, die Charaktere bleiben dagegen blass.

Essen. Was wären Männer ohne Frauen? Nur halb so begehrt. Das liegt in der Natur der Sache, aber in diesem Fall auch am Konzept der Inszenierung: Das Musical "Buddy - Die Buddy Holly Story" zündet erst so richtig, als drei Frauen vier Männern den Weg ebnen. Denn Anastasia Bain, Sidonie Smith und Myrthes Monteiro wissen, was zu tun ist - zumal die Geschichte erst langsam Schwung bekommt.

Der kommt erst mit den Damen auf, die in ihren roten Glitzerkleidern das Publikum im Essener Colosseum Theater zum Glühen bringen: Sie spielen stimmgewaltige Sängerinnen in New York, sind die Anheizerinnen für Buddy Holly und seine Band und dabei so keck und verführerisch, dass im Theater kein Knie still hält.

Auch wenn ausgerechnet die Beine des eigentlichen Hauptdarstellers Dominik Hees pausieren müssen. Die Aufregung hinter den Kulissen ist deshalb groß: Kurz vor der Medienpremiere hat sich Hees am Knie verletzt. Pech für ihn, eine Chance für seinen Kollegen: Matthias Bollwerk springt ein und mit viel Elan auf die Bühne.

Dass der gebürtige Essener der Rock ’n’ Roll-Legende trotzdem kein Gesicht geben kann, liegt daran, dass es in der Neu-Inszenierung kaum Spielszenen gibt, die einen tieferen Blick in Buddy Hollys Seele gewähren. Als Regisseurin setzt Stephanie Mohr ganz auf die Musik und nicht auf eine feine Charakterzeichnung. Echte Rock ’n’ Roller dürfte das nicht stören: Die Hommage an den Mann, der die Brille salonfähig machte und den Schluckauf-Kiekser erfand, ist musikalisch erstklassig inszeniert.

Wer aber war Buddy Holly wirklich? Wie war er abseits der Bühne? Nicht-Fans werden an diesem Abend nicht schlauer. Dafür sind die Macher des Musical-Riesen Stage Entertainment klug genug, einen Hit nach dem anderen zu platzieren. "That’ll Be The Day" und "Peggy Sue" gibt’s natürlich live, und das ist eine runde Sache: Die Drehbühne, die eine Schallplatte darstellt, ist die perfekte Kulisse für eine kurzweilige Show, die Konzert-Charakter hat.

Die Zeitreise ist atmosphärisch dicht und mit einem hohen Mitwipp-Faktor gesegnet. Das ist nicht zuletzt Patrick Stanke (The Big Bopper) und Vinicius Gomes (Ritchie Valens) zu verdanken, die sichtlichen Spaß haben und für beste Stimmung im Saal sorgen. Dazwischen wird immerhin angedeutet, dass Buddy Hollys Wandel vom Countrysänger zur Rock ’n’ Roll-Legende kein Zuckerschlecken ist - auch wenn man sich fragt, woher der junge Texaner, dieser schlaksige Grünschnabel, sein ungeheures Selbstbewusstsein nimmt.

Dass er in einer Szene seine Frau anruft, sie aber nur sinnierend am vorderen Bühnenrand sitzt und keinen Hörer in der Hand hält, ist bezeichnend: Es geht nicht darum, Buddy Holly plausibel ein persönliches Profil zu geben. Die Hauptrolle spielt am Ende allein die Musik.