Burghart Klaußner: Ein Mann für die sanften Töne
Erst spät entdeckte das Kino den Schauspieler, der eigentlich am Theater zu Hause ist, für sich. Mit jungen Regisseuren dreht er am liebsten.
"Ich bin ein Spätentwickler, keine Frage", sagt Burghart Klaußner und rührt in seiner Kaffeetasse. Der Schauspieler spricht von seiner Filmkarriere, aber auch von seinen Regieambitionen.
Auf den deutschsprachigen Bühnen war er schon seit den 80ern eine Größe, spielte Hauptrollen an den Schauspielhäusern in Hamburg, Zürich, Bochum und dem Berliner Maxim-Gorki-Theater.
Seine Filmkarriere kam erst spät in Gang. Einem breiten Publikum wurde Klaußner bekannt durch Filme wie "Das Superweib", "Rossini" oder "Good Bye, Lenin". Seine stille Melancholie, sein traurig nachdenklicher Blick, seine ruhige, intensive Ausdruckskraft sind Merkmale, die im Gedächtnis haften bleiben. Viele können vielleicht mit seinem Namen nichts anfangen: Sein Gesicht aber kennen sie. Auch dank zahlreicher Fernsehproduktionen.
In dem Film "Der Mann von der Botschaft", eine deutsch-georgische Kino-Koproduktion, die kommende Woche in die Kinos kommt, spielt er wieder einen introvertierten, menschenscheuen Mann, der sich mit einem Straßenmädchen anfreundet.
Am Morgen nach der Filmpremiere in Tiflis sitzt er auf der Dachterrasse des Hotels. Klaußner ist etwas übernächtigt, hat aber seine Erkältung überstanden und raucht eifrig. Er gehört zu den wenigen Rauchern, die inhalieren und gleichzeitig Pfefferminzbonbons lutschen können.
So wie er auch beruflich immer ganz viel gleichzeitig macht: spielen, Regie führen, drehen, schreiben, Hörbücher sprechen. "Ich kann nicht nur herumsitzen."
Klaußner arbeitet regelmäßig mit jungen Regisseuren zusammen, so etwa mit Hans Christian Schmid, mit dem er "23", "Crazy" und "Requiem" drehte. Für die Rolle als fürsorglicher Vater einer jungen, angeblich besessenen Studentin in "Requiem" wurde er 2006 für den deutschen Filmpreis nominiert.
Diesen Preis konnte er bereits 2005 entgegennehmen. Die Rolle des Entführungsopfers in Hans Weingartners "Die fetten Jahre sind vorbei" machte ihn endgültig zu einer festen Größe im deutschen Filmgeschäft, zu einem "Vater des jungen deutschen Films": Er spielt nicht nur oft Väter, sondern er gehört auch zu den Unterstützern der jungen Szene, nicht zuletzt durch sein Engagement bei "First Steps".
"Es macht mir große Freude, mit jungen Leuten zu arbeiten", sagt Klaußner. Die Arbeit sei so frisch und treffe einen Nerv in ihm, etwas Kindliches.
Generell ist die Neugierde eine seiner großen Eigenschaften, erzählt der 58-Jährige. Ein Muss für einen Schauspieler, der immer wieder Neues (in sich) entdecken will. Der Spieltrieb habe bei ihm den Wunsch genährt, Schauspieler zu werden. Und das schon als Kind.
"Ich mache wahnsinnig gerne etwas nach. Ich habe Spaß daran, zu beobachten und das dann irgendwann zu verwenden", erzählt er. Das komme aus der Hoffnung, Dinge zu verstehen. "Dass man dann immer mehr Fragen entdeckt, das ist das Interessante."
Schon als Kind in Berlin, wo er 1949 geboren wurde, wollte er Schauspieler werden. Seine Eltern waren Gastwirte und betrieben das Gasthaus "Zum Klaußner" in Berlin, bis die Familie nach dem Mauerbau nach München zog. Erst als die Eltern sich scheiden ließen, zog es Burghart Klaußner zurück nach Berlin. Dort studierte er zwei Semester Theaterwissenschaften und Germanistik ("zu langweilig") und wechselte dann an die Max-Reinhardt-Schauspielschule.
In Berlin tobten die wilden 68er, und der im konservativen Bayern aufgewachsene junge Mann musste sich erst zurechtfinden. "Anfangs war es eine extrem einsame Zeit für mich in Berlin. Ich wollte bei den politischen Aktionen nicht mitmachen", erzählt Klaußner. Doch nach und nach ließ er sich bekehren und zog mit.
Wie äußerte sich sein Engagement? "Maul aufreißen und Aktionen an der Schauspielschule organisieren", erinnert er sich schmunzelnd, auch an den euphorisierenden Effekt.
Überheblichkeit sei sowieso eines seiner frühen Merkmale gewesen, gibt der Schauspieler selbstkritisch zu. Gleich vier Angebote von Theatern bekam er nach seinem ersten Auftritt in einem Stück von George Tabori. Doch die Engagements hielten meist nur ein Jahr. Immer wurde er "aus nicht künstlerischen Gründen" entlassen, will heißen: "Ich war nicht kompatibel. Ich dachte immer, ich weiß alles besser."
Bereits im Alter von 26 Jahren folgte eine depressive Phase ("Melancholie liegt vielleicht sowieso in meinem Wesen"). Erst als er seine Frau kennenlernte, mit der er immer noch verheiratet ist und zwei Söhne (22 und 28 Jahre alt) hat, konnte er "noch mal bei Null" anfangen und richtig arbeiten lernen.
"Ich verstand damals: Wenn Du jetzt nicht lernst, Regisseure nicht als Feinde zu betrachten, sondern als Partner, hast Du keine Chance mehr." Gesagt, getan. Und schmunzelnd fügt er hinzu: "Das ist vielleicht mein einziges Talent: eine gewisse Lernfähigkeit."
Seitdem hat er anscheinend seine Rolle "irgendwo zwischen Peitsche und Seehund" akzeptiert: Das sei die Schizophrenie seines Jobs, mal sei man Medium und mal Meister, mal Zirkusdirektor und mal Seehund.
Denn mittlerweile führt Klaußner immer häufiger selbst Regie, am Schauspielhaus Bochum und bald wohl auch beim Film. Konsequenterweise geht sein Schritt sogar weiter Richtung Intendanz: "Das würde ich wirklich gerne machen. Als Gastwirtssohn verstehe ich mich als Gastgeber, als jemand, der tolle Leute um sich versammelt und ein Angebot macht."
Es gibt also noch viel zu tun für Burghart Klaußner: "Herumsitzen kann ich nicht, dann wird mir langweilig und ich kriege eine Depression."
Kino Burghart Klaußner spielte unter anderem in "Rossini" (1996), "Good Bye, Lenin" (2003), "Die fetten Jahre sind vorbei" (2004), "Requiem" (2006) und "Yella" (2007). Er ist Mitglied der deutschen Filmakademie.
Theater Klaußners Inszenierung von Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels" läuft erfolgreich am Bochumer Schauspielhaus. Dort kann man ihn auch auf der Bühne in Georges Feydeaus "Floh im Ohr" sehen.
Preise Deutscher Filmpreis 2005 als bester männlicher Nebendarsteller für "Die fetten Jahre sind vorbei". Leopard des internationalen Festivals von Locarno als bester Hauptdarsteller für "Der Mann von der Botschaft", der nächste Woche ins Kino kommt.