Dirigent Fabio Luisi: Er hat, was Simon Rattle fehlt

Der Dirigent Fabio Luisi gastiert mit der Staatskapelle Dresden in der Tonhalle. Das Orchester ist vor kurzem in Brüssel als Träger des musikalischen Weltkulturerbes ausgezeichnet worden.

<strong>Düsseldorf. Der Dirigent Fabio Luisi hatte anfangs das Pech, nur mittelmäßige Orchester dirigieren zu dürfen. Ab Sommer dieses Jahres wird er Generalmusikdirektor der Dresdner Staatsoper und somit Chef der legendären, weltweit angesehenen Staatskapelle Dresden, eines der ältesten Orchester überhaupt. Titanen wie Rudolf Kempe und Joseph Keilberth sind seine Vorgänger. Nach dem Gastspiel in Düsseldorf mit Bruckners Neunter im Gepäck kann man ohne Übertreibung von dem Beginn einer großen Ära sprechen.

Luisi hat das, was dem grandiosen Sympathieträger Simon Rattle, Chef des deutschen Vorzeigeorchesters Berliner Philharmoniker, fehlt: tiefe musikalische Intellektualität. Solche Geistesgröße war nun beim Konzert der Staatskapelle in der Düsseldorfer Tonhalle zu erleben.

Nehmen wir den langsamen Satz der unvollendet gebliebenen Neunten Anton Bruckners. Dieses Adagio, es steht am Schluss eines Werkes, das der tiefgläubige Bruckner keinem Geringeren als "dem lieben Gott" widmete, ist bewegendes Zeugnis eines erschütternden Glaubens. Bruckner, der sich im Leben so sehr nach Liebe sehnte und im Glauben Trost von Enttäuschungen fand, setzte mit seinem symphonischen Schaffen dieser religiösen Kraft tönende Denkmäler. Doch in seiner letzten Symphonie, die unvollendet und ohne das geplante krönende, alles ins Positive ergebende Finale blieb, scheitert er mit der Anrufung der Gottheit.

Es ist wieder eine choralartig komponierte Passage, die alles emotionale Elend bereinigen soll. Bruckner erfindet einen seiner schönsten, grundsätzlichsten Gebetsmusiken überhaupt. Doch der Boden schwankt. Hin und herpendelnde Bewegungen der Streicher erzeugen diffuse Unsicherheit. Mit einer Fortissimo-Dissonanz kippt der Choral ins Dunkel. In der nachfolgenden Stille ist die Welt zu Ende. Die wiederum auf die Stille folgende Coda bringt eine flüchtige Vision von Erlösung, komponiert in der Eros-Tonart E-Dur.

Solche Musik bedarf kundiger Leitung. Und Luisi vermag es, alle geistigen und metaphysisch umflorten Dimensionen des Werkes Klang werden zu lassen. Mit der Staatskapelle Dresden steht ihm ein Orchester feinster Klangästhetik zur Verfügung. Edle Blechbläser, erlesene Holzblassolisten und seidige Streicher bilden ein Instrumentarium, mit dem der vielleicht bedeutendste Dirigent seiner Generation Interpretationsgeschichte schreiben wird.

Ausbildung Geboren 1959 in Genua, studiert er am dortigen Konservatorium Niccolò Paganini und beim Pianisten Aldo Cicciolini in Paris.

Karriere Luisi absolviert Auftritte in allen großen Musikzentren der Welt, mehrmals auch als Gastdirigent der Düsseldorfer Symphoniker. Viele Jahre leitete er das MDR-Orchester.

Zukunft Ab Sommer dieses Jahres wird er Generalmusikdirektor der Staatskapelle Dresden sein.