Klassik: Griff einer jungen Frau nach den Götterwelten
Die junge Violinistin Hilary Hahn konzertiert in der Düsseldorfer Tonhalle. Der Ton, den Hilary Hahn auf ihrer Vuillaume-Geige erzeugt, ist von betörender Sinnlichkeit. Von dieser Kunst geht eine enorme, fast hypnotische Ruhe aus.
<strong>Düsseldorf. Auf den Hochglanzplakaten erscheint Hilary Hahn deutlich glamouröser als im realen Leben. Die zierliche 27-Jährige mit dem etwas blassen Gesicht und dem kleinen Knollennäschen wirkt auf dem Konzertpodium äußerlich eher unscheinbar und kindlich wie eine Jungstudentin. Etwas Oberflächenglanz geht von ihrem taillierten Kleid aus Bronze und Brokat aus. Die Haare trägt sie nicht mehr lang, sondern unschillernd zurückfrisiert. Aber ihre Ausstrahlung wächst mit ihrem ausgereiften Geigenspiel. Der Ton, den Hilary Hahn auf ihrer Vuillaume-Geige erzeugt, ist von betörender Sinnlichkeit. Obwohl das Spektrum an unterschiedlichen Klangfarben begrenzt ist, besitzt ihr Violinklang etwas Allumfassendes. Von dieser Kunst geht eine enorme, fast hypnotische Ruhe aus. Hahns Bewegungen sind ökonomisch, sie macht keine Show, und trotzdem ist der Hörer gebannt, denn die Musik beginnt zu sprechen und drückt aus, was mit Worten nicht zu sagen ist. Wenn in Tartinis Teufelstrillersonate Virtuosität gefordert ist, verzieht Hilary Hahn keine Miene, und die über mehrere Lagen hin und her hüpfenden Trillerfiguren erzeugt sie mit einer derart ungerührten Selbstverständlichkeit, als sei es ein Leichtes, bravouröse Passagen zu spielen.
Bei ihr besitzen auch fahle Töne noch ursprüngliche Reinheit
Hilary Hahn hat zum Teil spröde Werke wie Janàceks Violinsonate (1922) und Ysayes a-Moll-Solo aufs Programm gesetzt. Doch bei dieser Geigerin verwandelt sich alles zu seidigem Wohlklang. Selbst fahle, raue Töne am Schluss der Janàcek-Sonate besitzen bei ihr noch Reinheit.
Die Klassiker Mozart und Beethoven bietet Hilary Hahn emotional zurückgenommen. Die schöne Schlichtheit und das perlende Spiel ergeben zwar an sich schon ein großes Hörvergnügen, doch fehlen verbindliche musikalische Aussagen. Besonders Beethovens Kreutzersonate hätte man sich expressiver gewünscht. Der langsame Variationssatz zieht sich aufgrund der gleichförmigen Wiedergabe etwas hin.
Dass der Abend insgesamt zu einem großen musikalischen Ereignis wird, daran hat die ukrainische Pianistin Valentina Lisitsa einen beträchtlichen Anteil. Ob Mozart, Beethoven oder Janàcek - sie erzeugt am Klavier das Fundament für die spannungsvollen Darbietungen. Großer Jubel in der gut besuchten Tonhalle.