Einmalig in Berlin: Gillian Grassies „Harp-Power“
Berlin (dpa) - Harfenspielerin Gillian Grassie ist hörbar eine Entdeckung. Mit kurzfristig zusammengestellter Band überzeugte sie im Berliner Jazz-Club A-Trane bei ihrem Auftritt die Gäste.
IIndie-Pop und Folk-Rock in kleiner Besetzung mit Harfe, Bass, Drums und Gesang. Harfe? - richtig gelesen: Harfe! Gillian Grassie zeigte, wie hervorragend das geht.
Bei Singer-Songwritern und überhaupt in der populären Musik ist die Harfe eher selten anzutreffen. Und auch bei der US-Amerikanerin haben Gesang und Zupfinstrument nicht gleich zusammengefunden. Zu Anfang stand zudem die Erkenntnis, dass traditionelle Harfenklänge nicht das sind, was die Besucher einer Bar hören wollen. Gillian Grassie hat inzwischen ihre Technik auf der Lever-Harp verändert, begleitet sich selbst und hat nun die Aufmerksamkeit des Publikums.
So auch im renommierten Jazz-Club A-Trane. Schnell ist klar, dass etwas besonderes geboten wird, denn Grassie und die Band harmonieren bestens, sie bezaubert mit Gesang und Spiel, und die Musiker haben sichtlich Freude am Miteinander. Grassies in die Musik eingebetteten kleinen Geschichten sind vom Leben, ihren Reisen und von Literatur inspiriert.
Ein Teil der am Abend gespielten Stücke entstammt ihrem aktuellen Album „The Hinterhaus“: „Back to Your Flat“, „Borrowed or Begged“ und „Sweet Manhattan“. „The Hinterhaus“ wurde durch Berlins Hofbebauung angeregt und einem Freund gewidmet. Dazu sagt sie, dass jeder Mensch eine Fassade hat, die öffentlich zu sehen ist, und ein Inneres, das nur ganz bestimmten Personen zugänglich gemacht wird - das Hinterhaus. Es ist der stimmungsvollste Teil des Auftritts.
Wie Gillian Grassie erzählt, hat sie eine besondere Beziehung zu Berlin, wo sie derzeit auch eine Bleibe hat. Ihre Eltern waren in den 80ern in der damals noch geteilten Stadt in der Friedensbewegung aktiv. Die „Hippie Parents“ sorgten dann in den USA in der heimatlichen Abgeschiedenheit mit schaurigen Märchen und einer riesigen Schallplattensammlung für später entscheidende Einflüsse: Joni Mitchell ist Grassies erklärtes und hörbares Vorbild, und Sagen und Legenden regten ihre Vorstellungskraft an.
Die in Philadelphia aufgewachsene Künstlerin besingt Reisen und Heimwehkrankheit, nimmt einen Cocktails als Leitmotiv für eine Story („Sweet Manhattan“) und erzählt ihre sehr eigene Version der schottischen Heldenballade von „Tamlin“ und seiner Liebe zur Königin der Elfen. Auch den Playlist-Favoriten ihres aktuellen Albums spielt sie: „Back to Your Flat“ wird von einer süchtig machenden Melodie getragen.
In ihrem Repertoire finden sich auch Folk, wie das Lied um einen Auswanderer im 19. Jahrhundert, und Klassier wie „Perhaps, perhaps, perhaps“, die englische Version des bereits 1947 entstandenen Boleros „Quizás, Quizás, Quizás“. Zum Abschluss des Abends demonstriert sie, wie man auf einer Harfe grooven kann und gibt ein Instrumental zum besten.
Das vielschichtige Saitenspiel der 27-Jährigen ist kein exotischer Fremdkörper in dem kleinen Ensemble, sondern verträgt sich wunderbar mit der exzellenten Begleitung. Und obwohl sie den Abend übereinstimmend als magisch beschreiben, bleibt der Auftritt des Quartetts wohl ein „One-Night-Gig“. Gillian Grassie hatte ihre Mitmusiker erst 24 Stunden vor ihrem Auftritt zusammen, und Zukunftsplanungen gibt es nicht.
Der in Berlins Jazzszene verwurzelte Stefan Weeke sorgte in der Band mit Bass und viel Spielfreude für die stimmige Basis. Einer anderen Generation entstammend, doch der ideale Partner am Schlagzeug: Pierre Chestel. Der Franzose studiert am erlesenen Jazz Institut Berlin. Vierte im Bunde war Doro Muensch. Die vielseitige Musikerin, Sängerin und Songschreiberin, deren eigene Werke schon mit „Samt und Neuschnee“ verglichen wurden, gab der Amerikanerin den vokalen Rückhalt.
Weitere Stationen von Gillian Grassies „Harp-Power“ in Deutschland sind bislang nur am 31. Januar Wuppertal und am 23. März Düsseldorf. Doch wird sicher noch mehr von ihr zu hören sein: Augen und Ohren offenhalten.