Händel ist in der Gegenwart angekommen

Hochkarätige Aufführungen zu Ehren des 250. Todesjahres des Komponisten.

Halle. Dass sich Händels Geburtsstadt Halle zu einem weltweit führenden Zentrum seines musikalischen Erbes gemacht hat, zeigen die diesjährigen Händel-Festspiele zum 250. Todesjahr des Komponisten, die jetzt mit hochkarätigen Aufführungen starteten. Meisterwerke aller Schaffensperioden und aller Genres finden eine nicht nur mustergültige, sondern oft innovative Deutung.

Bereits seit Juni hat das Händel-Haus mit der Ausstellung "Händel - der Europäer" ein neues Gesicht bekommen. Lichtdurchflutete Räume dokumentieren den internationalen Werdegang des musikalischen Genies von Halle über Italien, Hannover, Düsseldorf nach London. Dank der Schirmherrschaft von Königin Elisabeth II. werden jetzt erstmalig handschriftliche Partituren gezeigt.

Vier selten gespielte Opern stehen auf dem Programm: Den Auftakt bildete "Floridante", ein subtiles Seelendrama, das die Abgründe zwischen persönlichen Gefühlen und gesellschaftlicher Stellung auslotet. Vincent Boussard gelang eine sensible Inszenierung. Am Pult steht der englische Dirigent Christopher Moulds. Halle verfügt über ein Händelfestspielorchester, das nur auf historischen Instrumenten spielt.

Jede Aufführung mit ihm ist ein klanglicher Hochgenuss, wie man ihn so in der deutschen Stadttheaterlandschaft nicht leicht wiederfindet. "Ariodante" ist Händels Version von Shakespeares "Viel Lärm um Nichts". Die Oper steht dem Schauspiel in keiner Weise nach. Der zweite Akt erreicht eine dramatische Dichte, die unter der Regie von Stephen Lawless und musikalischen Leitung von Federico M. Sardelli ohne Pathos tief anrührt.

Das benachbarte Theater Bad Lauchstädt, von Goethe erbaut und seinerzeit auch geleitet, wartet mit zwei Produktionen auf. André Bücker gelang ein "Xerxes" , wie man ihn sich amüsanter und kurzweiliger nicht vorstellen kann. Dass Händel auch als Vater der Opera buffa gilt, wurde hier verständlich.

Die Lautten Compagney Berlin begleitete auf historischen Instrumenten ein Ensemble, das mit seiner quirligen Spielfreude kaum zu bändigen war. Von den vier Uraufführungen sei "Anaesthesia", eine Pasticcio-Oper der Truppe "Nico and the Navigators" und der österreichischen Musicbanda Franui, besonders hervorgehoben. Eine fantasievolle, poetische Mischung von Gesang, Tanz, Akrobatik und Darstellung, die Händel vollends in die Gegenwart holt.

Die Festspiele setzen nicht auf große Stars, obwohl die auch kommen, sondern auf junge, frische Talente, die Händel in einer völlig neuen Sichtweise interpretieren und ahnen lassen, wie viel unentdecktes Potential noch im Werk dieses Komponisten schlummert. Ein eigenes Kinderprogramm bringt seine Kompositionen auch den Jüngsten nahe. Andererseits diskutieren Wissenschaftler aus neun europäischen Ländern den aktuellen Forschungsstand zum Händelschen Werk, unentgeltlich zugänglich für jeden Interessierten.

Bis zum 15. Juni bleibt die Stadt im Händelfieber. In fast allen Kirchen und Konzertstätten werden Oratorien, Kantaten oder Kammermusik aufgeführt. Aber auch nach dem Festspielen geht das Händeljahr bis zum Oktober weiter, am 22. Oktober gekrönt von einem Galakonzert mit Cecilia Bartoli.