Kaizers Orchestra: Finnische Hämmerchen-Polka
Live besser als auf den Alben, und auf den Alben trotzdem immer noch verdammt gut: Kaizers Orchestra, das skandinavische Klangwunder, war wieder im Studio.
Düsseldorf. Viele sagen, der Openair-Auftritt 2003 in Haldern sei es gewesen. Mag sein. Aber vielleicht war es eher noch dieser Moment vor zwei Jahren in der Eifel, der dem Kaizers Orchestra hierzulande den Durchbruch bescherte.
Am ersten Tag bei "Rock am Ring", diesem Monster von einem Festival, warteten nachmittags um halb fünf 30000 Zuschauer vor der "Alterna-Stage" gespannt auf Skandalnudel Pete Doherty - und trauten plötzlich Augen und Ohren nicht mehr.
Weil anstelle des wieder einmal wegen Drogen-Eskapaden verhinderten Engländers sechs verdammt komische Typen aus Norwegen auf der Bühne standen: Der Mann an der Orgel hatte eine Gasmaske auf. Die beiden Gitarristen schrammelten irgendeine krude Mischung aus Polka, Punk und Pop herunter. Der Frontmann sang stoisch in seiner Landessprache. Und irgendwann schlugen sie alle wie die Wahnsinnigen mit Rohrzangen auf "Texaco"-Metallfässer ein und gaben den Takt vor.
Für viele war es ganz offensichtlich die erste Begegnung mit dem Kaizers Orchestra. Und ebenso offensichtlich eine, die sich sofort ins Hirn brannte. Alles, was in den Tagen danach noch am Ring auftreten sollte - Metallica, Depeche Mode, der vor Grandezza nur so strotzende Morrissey, die tatsächlich und leibhaftig aus der Versenkung wieder aufgetauchten Guns’n Roses: So mitreißend wie die Norweger war keiner mehr.
Dabei darben nicht wenige Musikfreunde mittlerweile nach genau dieser Kaizers-Anarchie. Wie zur Bestätigung für diesen Hunger nach musikalischer Gesetzlosigkeit avancierte das Sextett mit seiner Philosophie aus Chaos und Verrücktheit in den vergangenen Jahren denn auch zum absoluten Trendsetter. Das Kaizers Orchestra war die erste Band aus Skandinavien, die einmal nicht stur der dort vorherrschenden Tradition aus "entweder spielst du Punk oder Rock oder Death- oder Black-Metal" folgte.
Stattdessen erkundete sie mit ihren manchmal geradezu kindisch-verspielt anmutenden Klangexperimenten neues Terrain. Und damit ebnete die Gruppe gleichzeitig den Weg für Bands wie "Gogol Bordello" oder "Beirut", die zuletzt mit Zigeuner-Musik und nordost- bis osteuropäischem Folk ein gänzlich ungewöhnliches Genre in die Ohren einer immer größer werdenden Hörerschaft brachten.