Lana Del Rey: „Mein Herz hat ein langsameres Tempo“

Berlin (dpa) - Gerade hat Lana Del Rey (28) ihr neues Album „Ultraviolence“ auf den Markt gebracht, das sich auf Anhieb an die Spitze der britischen Album-Charts setzte.

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Mit der Nachrichtenagentur dpa sprach die US-Sängerin in Berlin über ihre Melancholie, die Schattenseiten des Erfolgs und den Einfluss von Drogen.

Frage: Ihre Songs auf „Ultraviolence“ hören sich so an, als ob die Zeit fast stillsteht. Haben Sie eine innerliche Zeitlupen-Funktion?

Antwort: Ja, ich glaube, ich habe eine ruhige Veranlagung. Ich mag hypnotische Musik, obwohl ich auch Grunge und Rock'n'Roll mag. Aber ich stehe auch auf Jazz. Mein Herz hat ein langsameres Tempo, denke ich!

Frage: Sie haben ihre Musik als „echten Narko-Swing“ bezeichnet, was bedeutet das denn?

Antwort: Nun, als ich mit Dan Auerbach von den Black Keys das Album produziert habe, rutschte der Chor immer in diesen Half-Time-Rhythmus ab und Dan fand, dass das klang wie Swing, der von Drogen beeinflusst wurde. In „West Coast“ hört man das. Alles rutscht ins Surreale ab.

Frage: In „West Coast“ dreht es sich auch um Alkohol, der ja früher auch auf Sie einmal Einfluss hatte...

Antwort: Als ich jetzt an der Westküste war, hatte ich das Gefühl, auszubrechen. Ich habe viele Leute getroffen, die echte „Typen“ waren, die am Strand lebten und wirklich Spaß hatten. Sie sagten: „Wenn du nichts trinkst, dann bist du nicht richtig dabei“. Daher stammt die Liedzeile. Ich habe nichts getrunken, aber ich wollte... Ich wollte mich entspannen, am Ozean, am Strand, in der Hitze.

Frage: Also ein Album, das vom Lebensgefühl der US-Westküste inspiriert wurde?

Antwort: Ja schon, es ist eine Hommage an Untergrund-Jazz, an den idealisierten Sinn für Freiheit in den 70ern, an die Eagles, die Beach Boys, die Lockerheit und die tollen Melodien der Ära.

Frage: Dennoch hat das ganze Album einen melancholischen Unterton. Warum?

Antwort: Ich bin eigentlich ziemlich friedlich und fröhlich veranlagt, aber was alles in den vergangenen Jahren passiert ist, Dinge die ich nicht beeinflussen konnte, die haben auch den Ton des Albums beeinflusst. Es ist keine echte Traurigkeit, aber eine gewisse Schwere. Ich bin bedrückt und frage mich manchmal, wie ich die Kontrolle behalten kann. Früher hatte ich das Gefühl, dass mein Leben mir gehört. Als ich bekannt wurde, ist sehr viel über mich geschrieben worden, bevor ich die Chance hatte, mich dazu zu äußern. Ich hatte dann das Gefühl, nicht mehr der Fahrer zu sein, sondern nur noch auf dem Rücksitz zu sitzen. Erfolg und Anerkennung ist eigentlich etwas Süßes, aber die Umstände haben viel davon ruiniert.

Frage: Hat der Erfolg also eine dunkle Seite?

Antwort: Nicht für jeden. Aber für mich fühlte es sich nicht gut an, die Komplimente waren zweischneidig. Bewertungen klangen gut, aber es waren negative Adjektive darin enthalten. Es war komisch.

Frage: Manche Künstler würden die Schulter zucken und sagen: Mir egal, was sie über mich schreiben...

Antwort: Bei vielen anderen Künstlern schreiben solche Journalisten aber nicht über derart persönliche Dinge. Aber wenn es um deine Familie geht, um Dinge wie deine Geistesverfassung, deine Gesundheit und dein Privatleben, dann kannst du es nicht so leicht abstreifen. Man kann nicht nachfühlen, bevor man erlebt hat, wie es ist, wenn jemand anderen erzählt, wie du angeblich bist, aber es gar nicht stimmt.

Frage: Sie sagen ja, dass Sie Inspiration daraus ziehen, andere Menschen zu treffen. Das ist aber schwierig, wenn Sie nicht sicher sein können, dass Sie offen sein können.

Antwort: Ich will auch in Interviews immer offen sein, aber ich habe eben diese schlechten Erfahrungen gemacht. Es wird oft etwas verdreht. Wenn ich sage, dass ich Songs aus den 50ern mag, dann sehen das viele als Bezug auf Hollywood und Hochglanz. Das stimmt aber nicht unbedingt. Ich mag die Songs von Elvis, nicht automatisch die Person.

Frage: Lassen wir die Musik sprechen - das ganze Album hört sich sehr hymnisch an, wie großes Orchester...

Antwort: Ich habe ja einen eher alternativen Background, aber ich beschränke mich selber nicht. Wenn ich eine Auswahl an Songs geschrieben habe, dann haben die alle eine bestimmte Referenz - an die Schönheit, oder an Gott. Also Gott ist für mich persönlich nicht wichtig, aber vielleicht das Große, das hinter allem steht. Freut mich, dass Sie das herausgehört haben.

Frage: Es scheint so, dass Sie alles singen können, jeden Songtext - auch Worte, die andere Künstler nicht in den Mund nehmen würden oder gar nicht darüber nachdenken würden, sie zu verwenden....

Antwort: Stimmt genau! (lacht)

Frage: Aber es kommt nicht aggressiv rüber...

Antwort: Ich habe in Interviews oft die Schwierigkeit, dass ich ehrlich antworten will, mich dann aber nicht ganz traue... Es ist auch in den Songs so, dass ich manches nicht ganz direkt ausdrücken will, dann nutze ich Anspielungen oder Metaphern, zum Beispiel wenn es um Autobiographisches geht. Früher habe ich Songs mehr wie ein Tagebuch angelegt und da habe ich dann auch Dinge geäußert, die vielleicht unangebracht oder politisch nicht korrekt waren.

Frage: Der Songtitel „Fucked My Way Up to the Top“ steht in Deutschland auch ausgeschrieben da, in den USA werden oft Sternchen gedruckt anstatt das F-Wort...

Antwort: Schon lustig, in Europa seid ihr freier, hier ist es mehr „leben und leben lassen“.

Frage: Sie sagen ja, dass Sie in Ihren Songs entweder etwas dokumentieren oder träumen. Nun behandeln sie schwerwiegende Dinge, zum Beispiel ein Leben in einer Sekte...

Antwort: Sie wollen wissen, ob es stimmt?

Frage: Das wäre etwas platt. Vielleicht frage ich mal so: Wie sehr hat diese Phase Ihres Lebens Ihre künstlerische Entwicklung beeinflusst?

Antwort: Die Frage ist mir auch lieber. Es war eine Phase. Ich habe Menschen gesucht, die wie ich waren, aber auch Menschen, mit größeren Dingen verbunden schienen, überirdisch. Ich wurde von visionären Leuten beeinflusst. Ich wollte mehr als nur schreiben und von Tag zu Tag leben. Aber ich habe festgestellt, dass das für mich nicht funktionierte. Ich dachte, ich könnte mit anderen als idealistische Künstler-Kommune zusammenleben, so dass man sich gegenseitig befruchtet.

Frage: Aber Künstler müssen ja auch immer nach Neuem suchen, deshalb sind viele auch so empfänglich für Alkohol und andere Drogen.

Antwort: Ja, absolut. Es kommt schon darauf an, wer man ist und wie experimentell man veranlagt ist. Ich will immer experimentieren, das Leben voll auskosten und alles erleben. Ich habe mich aber gegen Drogen entschieden und versuche, etwas aus Begegnungen mit energiegeladenen Menschen zu ziehen. Das ist auch manchmal wild.

Frage: Menschen zu treffen ist auch gesünder, als mit Drogen zu experimentieren.

Antwort: Ja, das denke ich auch! (lacht)

Zur Person: Lana Del Rey (28), die mit bürgerlichem Namen Elizabeth Grant heißt, hatte 2011 mit der Ballade „Video Games“ ihren Durchbruch. Ihr selbstproduziertes Musikvideo wurde auf YouTube millionenfach angeklickt, das Album „Born To Die“ ein Welthit. Kritiker warfen ihr lange vor, nur ein Kunstprodukt zu sein, was sie selbst und ihre Fans wütend zurückwiesen. Schlagzeilen machte Del Rey auch mit Aussagen über eine Alkoholabhängigkeit als Teenager.