Liedermacher Ludwig Hirsch gestorben
Wien (dpa) - Sein Spott war zärtlich, seine Kritik poetisch, sein Humor tiefschwarz: Ludwig Hirsch hat es seinem Publikum nie einfach gemacht. Mit sanfter Stimme zwang er zum Zuhören, um dann in scheinbar harmlosen Geschichten bittere Wahrheiten zu erzählen.
Mit 65 Jahren ist der Musiker, Sänger und Schauspieler am Donnerstag in Wien gestorben. Freunde und Wegbegleiter sind schockiert.
„Gänsehautnah“ hieß das Programm seiner letzten Tournee im Frühjahr durch Österreich, Deutschland und die Schweiz. Eine typische Wortschöpfung und eine Paraphrase für sein Schaffen, denn in ihrer makabren Zuspitzung gingen seine Lieder unter die Haut. Er sang von einem „Ich“, das im Sarg liegt und die ersten Würmer kommen spürt. Er beschwor den „großen schwarzen Vogel“ und ließ unscheinbare Landfrauen ihre Männer morden.
Skurril und absurd wirken seine Geschichten oft, die aus dem Alltag gegriffen sind und von Verlierern berichten, von Außenseitern und wie die Gesellschaft mit ihnen umgeht. Dabei beschrieb er sich selbst als Märchenerzähler: „Geschichten erfinden, die Menschen auf eine Abenteuerreise mitnehmen - das ist meine Art, Musik zu machen“, sagte er einmal in einem Interview.
„Träumen, Staunen, Lächeln“ nannte er als seine zentralen Themen, doch auch in seinen sanften Liedern schien es, als würde er der Idylle nicht trauen. So klingt selbst das populäre Liebeslied „Gell, du mogst mi“ eher sarkastisch denn romantisch. Die österreichische Kulturministerin Claudia Schmied schrieb in einer Mitteilung am Donnerstag, Österreich verliere „eine wichtige Stimme der Gegenkultur“. Hirsch sei Teil der österreichischen Seele. „Er entlarvte diese Welt als Scheinwelt und trotzte allen Anpassungsbestrebungen“.
Hirsch wurde am 28. Feburar 1946 in St. Magdalena in der Steiermark geboren, wuchs aber in Wien auf. Zunächst wollte er Schauspieler werden. Er machte eine Ausbildung in Wien und stand dann in Regensburg, Wuppertal und am Thalia Theater Hamburg auf der Bühne. Im Wiener Theater an der Josefstadt gehörte er ab 1975 fest zum Ensemble, später spielte er auch in Fernsehfilmen wie „Tatort“ oder „Und ewig schweigen die Männer“ von Xaver Schwarzenberger.
Weil er, wie er selbst sagte, auf der Bühne „nicht ausgelastet“ war, schrieb er Lieder und avancierte in wenigen Jahren vom Geheimtipp zum Inbegriff des Wiener Liedermachers. Schon sein erstes Album „Dunkelgraue Lieder“ schaffte 1979 Platin. Er gehörte zur Austropop-Szene um Wolfgang Ambros oder Rainhard Fendrich, blieb aber eher Außenseiter. Am meisten hatte er noch mit Georg Danzer gemein, gleichfalls eine poetische Seele und ein kritischer Geist.
Doch Hirsch war immer noch eine Nuance schwärzer, eine Spur bitterer in seinem Humor. Und ein wenig verschroben: Clowns und Zwerge geisterten durch seine Lieder oder er schlüpfte in die Rolle von Tieren, um menschliches Verhalten zu entlarven. Er äußerte sich oft politisch, trat gegen Atomkraft auf, engagierte sich für Greenpeace und amnesty international und beteiligte sich am österreichischen „Lichtermeer“ gegen Fremdenfeindlichkeit 1993.
Hirsch war mit der Schauspielerin Cornelia Köndgen verheiratet. Der gemeinsame Sohn Moritz kam 1981 zur Welt. Ludwig Hirsch wurde am Donnerstagmorgen unterhalb eines Fensters im Wiener Wilhelminenspital tot aufgefunden, wie ein Polizeisprecher der dpa in Wien sagte. Die Polizei geht von einem Suizid aus. Nach Angaben seines Managers Karl Scheibmaier war Hirsch seit einer Woche zur Untersuchung in dem Krankenhaus.