Messe: Die neue Landkarte der Musik
Die achte c/o pop in Köln versammelt die Lobbyisten der Phono-Industrie, aber auch ihre Fans.
Köln. Für Dieter Gorny stellt sich diese Frage nicht: "CD oder digital? Egal. Hauptsache, der Kunde kriegt die Musik auf dem Weg, den er möchte. Und wenn sie in eine Tontafel gehauen wurde." Der Popkomm-Erfinder, Viva-Gründer und heutige Chef-Lobbyist der Phono-Industrie, hat die Lacher auf seiner Seite. Die Szene mag den Mutmacher. Auch an diesem Morgen im Kölner Rheintriadem im Schatten des Domes.
Hier sind sie wieder, die Plattenbosse, Indie-Label-Chefs, Künstler, Werbeleute, Musiker, Konzertveranstalter, Webdesigner - auf der fünften Messe Cologne on Pop, kurz c/o pop genannt. "Ein gutes Forum, um in die Tiefe der Materie zu gehen", wie Gorny befindet.
Der Medienmensch Gorny mag die c/o pop, die einst die Stelle einnahm, die die große Popkomm hinterlassen hatte. "Vom Phantomschmerz des Popkomm-Verlustes hat sich die Stadt nicht niederdrücken lassen", sagt er. Diese Kraft wünscht er dem ganzen Musik-Geschäft, betont er.
Das braucht so Leute wie Norbert Oberhaus, dem c/o pop-Geschäftsführer, dem es mit seinem Team gelungen ist, eine Veranstaltung zu etablieren, die die digitale Entwicklung im Blick hat, die Menschen rund um die Musik zusammen bringt - zum Arbeiten auf der Konferenz, zum Feiern in den Clubs. Im Mittelpunkt: die Suche nach einer Vision, nach einer Perspektive.
Palais heißt dieser unfertige Raum. Draußen eine würdevolle Fassade. Drinnen nackter Waschbeton, notdürftig verspachtelte Spalten. Kabel baumeln von Decken. Ein altes Gebäude eben, das ein neues werden soll. Das passt zur Musikszene.
"Die neue Landkarte der Musik" - nichts Geringeres soll auf der c/o pop gezeichnet werden - wie es Dominic Hodge, Musikfachmann einer Londoner Agentur - einfordert. Seine Philosophie: "Musik ist überall. Du musst nur wissen, wie du sie nutzt." In Zeiten von Internet und Digitalisierung seien alle Beteiligten aufgefordert, sich Gedanken zu machen. Die Plattenfirmen dürften zum Beispiel nicht an althergebrachten Vertriebswegen festhalten.
Hodge mahnt Erneuerung an: vertriebstechnisch, künstlerisch, geschäftlich. Das sei nötig, weil Künstler und Fans immer mehr Kontrolle über die Musik übernehmen würden. Der Erfolg der Selbstvermarktung von Radiohead müsse ein Beispiel für den ganzen Markt setzen. Einen neuen Weg geht auch die deutsche Combo Angelika Express. Sie verkauft Aktien für ihr neues Album...
Dieter Gorny streicht den Wert von Musik heraus. Diesen Wert gelte es zu schützen. Und dann wettert er los. "Mich ärgert die Umsonst-Debatte. Das ist frech - auch den Künstlern gegenüber." Zwar werde überall über Datenschutz und Urheberrecht gesprochen "aber keiner führt die Fäden zusammen." Dies aber sei angesichts der digitalen Revolution nötig, die ja nicht bei der Musik halt mache. "Sie geht in jeden Raum der Gesellschaft."
Dass der Musikfernsehsender Viva heute nicht mehr erfolgreich sei, begründet er mit dem veränderten Konsumverhalten der Zielgruppe. "Vor 15 Jahren hat das Fernsehen eine andere Rolle gespielt. Heute findet die Kommunikation und Information woanders statt, im Internet." Und werde Viva heute neu erfunden, müsse es eine Kombination aus Youtube, My Space und TV sein. Wie solche Lösungen aussehen können, wird noch bis zum Wochenende in den rund 40 Diskussions- und Konferenzveranstaltungen ergründet.
Ob die c/o pop 2009 ebenfalls direkt am Rhein in den Gebäuden der ehemaligen Bundesbahndirektion stattfinden kann, ist laut Norbert Oberhaus eher fraglich. Die Eigentümer haben andere Pläne. "Und wir haben zwei, drei Alternativen mit Räumen, die einen ähnlichen Charme haben", sagt er unserer Zeitung. Sicher sei aber, dass man nicht wieder auf die andere Rhein-Seite wechsle. "Wir bleiben in der Innenstadt."