Zutons: Der Fluch von „Valerie“
Für ihr drittes Album verließen die Zutons ihre Heimat Liverpool und suchten Asyl in Los Angeles. Herausgekommen ist ein etwas schlieriges Stück Art-Rock.
Landet eine Independent-Band, die eben noch als ideell unverdorben galt, einen Single-Hit, büßen die einstigen Anti-Establishment-Helden bei den Fans gerne ihren Ruf als "coole Säue" ein. Auch die Zutons mussten im vergangenen Jahr den Abstieg vom gefeierten Geheimtipp zu gefallenen Engeln durchleben.
Und dabei hatten die Liverpooler noch nicht einmal selber dafür gesorgt, dass einer ihrer Songs plötzlich in Dauerschleife über die Formatradiofrequenzen eierte. Amy Winehouse und ihrem Produzenten Mark Ronson hat das Quintett es zu verdanken, dass es in aller Munde war - ohne dass es den meisten, die "Valerie" mitsangen, überhaupt bewusst war, dass es sich um einen Track der Zutons handelte, genauer die zweite Single ihres zweiten Albums "Tired of Hanging Around" (2006).
Tatsächlich ist es eine Hypothek, mit der Frontmann und Songschreiber Dave McCabe jetzt zu leben hat. Für das erste Album "Who Killed...The Zutons?" noch als experimentierfreudige Retro-Clowns gelobt, die 70er-Klänge à la T.Rex mit 80er-Fun-Sound im Stile von Madness zu verbinden wussten, wird ihm und seiner Band jetzt die neu gewonnene Großmannssucht vorgeworfen, sich als Art-Rocker zu inszenieren. Dazu allerdings, ätzt der Musik-Snobisten-Tross, fehle ihnen die Substanz, den Talking Heads, Roxy Music oder, wer’s aktuell mag, Arcade Fire das Wasser reichen zu können.
Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Zu Recht zählen die Zutons, seit sie vor sechs Jahren auf der Bildfläche erschienen, zu Liverpools heißesten Musik-Exporten, was, gemessen an der Pop-Tradition der Beatles-Metropole, kein Leichtes ist. Um den Thron müssen sie allerdings kämpfen, am härtesten mit den Melancholie-Mystikern von The Coral, die im stadtinternen Wettstreit den entspannteren Eindruck hinterlassen.
Immerhin: Die Zutons sind ehrgeizig, legten auch mit ihrem zweiten Album einen ansprechenden Mix aus erdigem Bänkel-Rock und überdrehtem High-Energy-Pop vor. Zwar geht McCabe mit seinem Hang zur Großkotzigkeit schon damals einigen gehörig auf den Senkel. Geschadet hat das ihrem Ansehen allerdings noch nicht, eher ihr Image als schräge Vögel befeuert.
Wie gesagt, erst "Valerie" kratzt an ihrem makellosen Ruf als Independent-Ikonen. Das dritte Album würde das bislang schwerste werden, das war jetzt klar. Vielleicht hätten die Zutons bescheiden zuhause bleiben, in heimischen Gefilden den eigenen Sound verbessern, nachjustieren und veredeln sollen.
Stattdessen gingen sie, wie so viele Bands, die vom großen Erfolg auch jenseits des Teichs träumen, nach Los Angeles, wo sie sich George Drakoulias als Produzenten anvertrauten. Johnny Cash und die Black Crowes ließen bei ihm ihr Rohmaterial tunen. Eine gute Adresse, schließlich sieht sich das Quintett musikalisch irgendwo dazwischen.
Gut getan hat ihnen der Tapetenwechsel allerdings dann doch nicht. Musikalisch klingt das Ergebnis unentschlossen, richtig einig waren sich die Zutons wohl nur darin, kunstbeflissenen Pop zu produzieren. Leider fehlt McCabes Songs dazu der rote Faden. Etwas unwillig hangeln sie sich um die Arrangement-Ideen von Drakoulias herum, als wollten sie miteinander irgendwie nicht eins werden. Genauer: Schlecht klingt es nicht, aber der Nachhaltigkeitseffekt tendiert gen Null.
Live könnten die Songs zünden, wenn Abi Harding ihr Saxofon wieder zum Äußersten reizt und im Zusammenspiel mit McCabe in vorderer Reihe ein hinreißend widersprüchliches Pärchen abgibt. Denn für ihre Tour haben die fünf den Größenwahn erstmal wieder außen vor gelassen.
Schön akribisch werden sie noch bis Jahresende ihre britische Heimat bereisen, jeweils am Platze die größte Halle füllen, bevor sie 2009 auch aufs Festland kommen. Dabei sollten sie vorsichtig sein. Auch hier war "Valerie" ein Hit. Und auch hier ist es Miss Winehouse, mit der man den Song verbindet.