New Order kehren zurück mit Elektronik-Sound

Berlin (dpa) - Die britische Band New Order ist ein Phänomen im Musikgeschäft. Ihre beste Zeit war in den 80er Jahren, sie verpasste den Aufstieg zu den ganz Großen in den Musik-Olymp - und doch gibt es weltweit eine treue Fangemeinde, die jahrelang auf neue Alben wartet und musikalische Kurswechsel mitmacht.

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Jetzt ist es wieder soweit: Unter dem Titel „Music Complete“ gibt es elf neue Songs. Das Markenzeichen von New Order war schon immer die Mischung aus Gitarren und Elektronik-Sound. Diesmal geht der Zeiger ganz klar in Richtung elektronischer Musik. „Die vergangenen Alben waren stark von Gitarren beherrscht, jetzt hatten wir einen Hunger auf Elektronik“, sagt Frontmann Bernard Sumner. „Es war, als hätte man drei Jahre lang kein Steak gegessen und sieht dann eines auf dem Teller liegen und denkt: Ja, das will ich, sofort!“

Es sei auch der Erwartungsdruck nach dem 80er-Jahre-Klassiker „Blue Monday“ gewesen, der die Band in den vergangenen Jahren von Elektronik-Musik abgehalten habe, räumt Sumner ein. „Die Leute erwarten von jedem Song etwas Revolutionäres. Aber man kann nicht jedes Mal das Rad neu erfinden.“

New Order klingen jetzt auch anders, weil Bassist Peter Hook nicht mehr dabei ist. Hook, der mit seinen markanten Basslinien den Original-Sound von New Order prägte, verließ die Band vor sieben Jahren. Zum zweiten Mal. Sumner weint ihm keine Träne nach. „Die Fans sahen immer seinen Beitrag zur Musik - aber wir vermissen nicht das zerstörerische Element, das er in die Band einbrachte.“ Bei den Aufnahmen zum vorherigen Album „Waiting For The Siren's Call“ sei die Stimmung schließlich unerträglich geworden. „Es war Peter gegen den Rest der Band. Nicht die ganze Zeit - aber zu oft.“

„Music Complete“ ist also auch ein Produkt einer neuen Harmonie im Studio: „Wir konnten uns auch ehrlich die Meinung sagen, ohne einen Schlag auf die Nase zu riskieren.“ Deshalb habe die Band auch auf einen externen Produzenten verzichtet. „Wir brauchten sie früher eh mehr in der Rolle von Schiedsrichtern bei einem Wrestling-Kampf - denn damit war das Songschreiben bei New Order am ehesten zu vergleichen“, rechnet der 59-jährige Sumner mit den alten Zeiten ab. Seine Stimme bricht merklich, wenn er darüber spricht.

Die Songs von „Music Complete“ wurden nicht bei gemeinsamen Jam-Sessions im Studio herausgearbeitet, sondern die Bandmitglieder dachten sich Ideen zuhause aus und fügten sie zusammen. Der ursprüngliche Plan war, statt eines Albums eine Serie kurzer EPs mit einigen Songs herauszubringen, während man auf Tour war - aber Sumner lag dieses fragmentierte Arbeiten nicht. „Wenn man live auftritt, ist man in einem Gemütszustand - wenn man Musik und Text schreibt, braucht man einen anderen.“ So wurden die Titel größtenteils in den beiden vergangenen Wintern geschrieben, während die Sommer den Konzertauftritten vorbehalten waren.

Der Witz ist, dass die erste Single-Auskoppelung „Restless“ eher genauso Gitarren-lastig daherkommt wie die vorherigen beiden Alben, während die restlichen Songs von Synthesizern und Drum-Maschinen beherrscht werden. „Die Single klingt überhaupt nicht wie der Rest des Albums. Das ist sehr im Stil von New Order“, grinst Sumner.

Zum Stil von New Order gehörte es in den vergangenen Jahrzehnten, notorisch unvernünftig zu sein. Das zeigte sich schon bei „Blue Monday“ 1982: Die Single verkaufte sich über eine Million Mal - doch die Plattenhülle im Design einer Floppy-Disk war so teuer, dass die Band mit jedem verkauften Exemplar anfangs Geld verlor. Das hörte erst auf, nachdem bei der nächsten Auflage die Löcher in die Verpackung nicht mehr reingestanzt, sondern nur draufgedruckt wurden. Später kaufte sich die Band den Nachtclub „Hacienda“ in Manchester - der schließlich ihre Plattenfirma in finanzielle Schieflage brachte. „Wir hatten viel Spaß“, sagt Sumner. „Aber im Nachhinein hätten wir so einiges lieber anders machen sollen.“

Beim Hamburger Reeperbahn-Festival werden New Order am Freitagabend ab 19.00 Uhr ihr Album „Music Complete“ in einer Listening-Session vorstellen und anschließend Fragen beantworten. Das ganze Event lässt sich auch via Livestream im Internet verfolgen. Im Rahmen ihrer Europa-Tournee wird die Band schließlich am 11. November im Berliner Tempodrom spielen.