Pop: Sam Sparro - Gerne auch mal mit Rüschchen
Talent, Aussehen, Selbstironie – der Australier Sam Sparro hat das Zeug zum Superstar. Problem: Es gibt zurzeit genügend.
Düsseldorf. Auf der Reise zu sich selbst ist Sam Sparro immer wieder geflüchtet. Im Alter von 15 aus Los Angeles in seine Geburtsstadt Sydney, dann zwei Jahre später nach London, bis er nach weiteren drei Jahren wieder in L.A. landete.
Als Kellner hatte er gearbeitet, in obskuren WGs mit bis zu 14 Mitbewohnern gehaust, sogar erste Songs hatte er schon geschrieben. Dummerweise interessierte sich niemand für die Sangesambitionen des schmächtigen Jünglings, den trotz seiner markanten Gesichtszüge eine eher androgyne Aura umspielt.
Sparro selbst hielt seine jahrelange Odyssee für keine Flucht. Eher für eine Suche - nach Anerkennung, vor allem aber nach einem Entdecker, der ihm grinsend einen Plattenvertrag unter die Nase hält und ihn dabei jovial auffordert:
"Unterschreiben Sie hier!" Deswegen kam Sparro nicht aus dem Quark. Überzeugt, das nötige Talent zum Star zu haben, wollte er gebeten werden, hofiert, umworben und bewundert.
Es waren Tagträume, nichts weiter, hauptsächlich mangelnder Lebenserfahrung geschuldet, vielleicht aber auch den frühen Engagements im Showbiz, die ihm das Gefühl gaben, ein Kinderstar zu sein. Mit zehn hatte er in Werbespots mitgewirkt, unter anderem einer amerikaweiten Kampagne für McDonald’s.
Außerdem moderierte er über längere Zeit ein Radioprogramm für Kinder. Sparro war es gewohnt, in Watte gepackt zu werden. Wünsche hatten gefälligst in Erfüllung zu gehen. Doch das Leben ist kein Rummelplatzbesuch. Das zu begreifen, war wahrscheinlich die bitterste Pille, die er zu schlucken hatte.
Dass seine Songs jetzt weltweit gespielt werden, ist denn tatsächlich auch seiner Eigeninitiative zu verdanken. Hilfe hatte er zwar, zunächst von seinem Vater, dem Abkömmling einer überaus musischen Familie, der als Tourgitarrist Bowie und U2 begleitet hatte und später auf Gospel und Soul umsattelte.
Dann natürlich die Empfehlung aus prominentem Munde, namentlich der Soul-Diva Chaka Khan, die Sparros sonoren Bariton bei einer Party seines Vaters zu Gehör bekam. "Liebes Bisschen, das Bleichgesicht kann ja singen", soll sie gesagt und mit ihrer Bewunderung auch vor einflussreichen Plattenbossen nicht zurückgehalten haben.
Den entscheidenden Anstoß gab allerdings das Zusammentreffen mit Jesse Rogg, einem gleichaltrigen Musikfanatiker, in München aufgewachsen, in Los Angeles später genauso ziellos gestrandet wie Sparro. Gemeinsam beschlossen die beiden, Sams noch konturloses Songmaterial aus Londoner Zeiten in ein schickes Plastik-Pop-Gewand zu kleiden und als Tonträger herauszubringen.
Was als Spielerei zweier Bohemien-Zöglinge begann, fand seinen vorläufigen Höhepunkt im April mit einem satten Platz zwei in den britischen Single-Charts.
Das plötzliche Interesse an seiner Person nutzt Sparro zur amüsanten Selbstinszenierung, spielt im Video zu "Black and Gold" den distinguierten Dandy mit Smoking, Zylinder und Stock, während er im Clip zur groovenden Prince-Hommage "Cottonmouth" all die peinlich vor sich hin brabbelnden Möchtegern-HipHopper karikiert, deren verschwenderischen Cannabis-Konsum inklusive.
Und auf der Bühne trägt er ein überdimensioniertes Brillengestell, das auffällig an Trevor Horn erinnert, der als Produzent für den Mondän-Pop von Grace Jones und Frankie Goes To Hollywood zuständig war.
Auch bei Sparro ist alles ein bisschen übertrieben, ein wenig größenwahnsinnig, gerne auch mit Rüschchen und Boa, denn aus seiner Homosexualität macht der 25-Jährige keinen Hehl, vor allem, um von der Plattenfirma nicht als Schmachtobjekt für weibliche Teenager aufgebaut zu werden.
Der launige Mummenschanz lenkt allerdings nicht von seinen gesanglichen Qualitäten ab (siehe Kasten). Überhaupt empfiehlt sich der Schlaks mit seinem Talent, seinem Aussehen und seiner Fähigkeit zur Selbstironie für Höheres.
Sein Problem ist allerdings, dass die Nische Neo-Soul momentan bereits überstrapaziert ist (Winehouse, Duffy) und den Part des metrosexuellen Entertainers für die Massen bereits Mika besetzt. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Sparro sich durchbeißt.