Richard Wagners Aura für jedermann

München (dpa) - Auf diesen Tasten also haben die Hände des Meisters geruht. Vielleicht hat auf diesem Instrument Richard Wagner seinen Gästen aus dem „Parsifal“ vorgespielt, seiner letzten Oper.

Und auch Franz Liszt, Wagners Schwiegervater und der bedeutendste Klaviervirtuose seiner Zeit, soll die Tasten des Steinway, Baujahr 1876, traktiert haben. Bislang war Wagners Parade-Flügel nur im Wagner-Museum in der Villa Wahnfried in Bayreuth zu bewundern. Doch seit einer Woche ist das historische Instrument auf Tour durch die deutschen Niederlassungen der Firma Steinway & Sons. Und jeder, der will und kann, darf auf ihm spielen.

Ricardo Hohmann, Theater- und Filmkomponist, hat sich in München diese wohl einmalige Chance nicht entgehen lassen. Fast ehrfurchtsvoll setzt er sich auf den modernen Klavierhocker, spielt etwas von Beethoven, eines der Preludes von Chopin. Natürlich höre man dem Flügel sein Alter an, meint Hohmann. „Die Mittellage klingt vielleicht ein wenig dumpf. Doch der Diskant ist super.“ Auf diesem Instrument zu spielen, sei schon etwas Besonderes.

Der prächtige Flügel aus braunem Holz, mit allerlei Schnitzereien reich verziert, war Wagner von dem New Yorker Klavierbauer zur Eröffnung der ersten Bayreuther Festspiele 1876 geschenkt worden. Technisch war dieses Instrument damals unerreicht. „Das erste Modell mit einem aus Metall gegossenen Rahmen“, erläutert Philipp Avramow, Leiter der Münchner Steinway-Hauses.

Die neuartige Konstruktion ermöglichte es, die Saiten stärker zu spannen und so ein größeres Klangvolumen zu erzeugen. „Damit können sie locker einen Saal mit bis zu 2000 Plätzen beschallen.“ Die Innovation wurde dringend benötigt, denn im 19. Jahrhundert wandelte sich das Konzertleben vom höfischen Divertissement zum Vergnügen immer weiterer Bevölkerungskreise - und zum Geschäft.

Die großzügige Geste damals sei natürlich auch so etwas wie eine Marketingmaßnahme gewesen, sagt Avramow. „So wie ein Autokonzern heute einem Star vielleicht ein Auto schenkt.“ Über dem Manual ist eine Widmung eingelassen: „Festgruss aus Steinway Hall“. Vor dem Bau der Carnegie Hall war die Steinway Hall einer der ersten privaten New Yorker Konzertsäle, eine Mischung aus Showroom und Veranstaltungsraum, erbaut von William Steinway, dem Sohn des aus Deutschland in die USA ausgewanderten Firmengründers.

Nach Wagners Tod durfte der von der Aura des Genies umflorte Flügel lange nicht gespielt werden. Er stand als eine Art Devotionalie in der Rotunde von Wahnfried. Die Bombardierung der Wagner-Villa im Zweiten Weltkrieg überstand das Instrument so gut wie unbeschadet. 1997 beschloss man, das Stück zur Überholung in die Hamburger Steinway-Fabrik zu transportieren. „Dabei wurden aber nur Verschleißteile wie die Filzhämmer ausgetauscht“, sagt Avramow. „90 Prozent des Flügels sind noch original.“

Seit dem gibt es immer wieder Konzerte auf dem Museums-Flügel mit der Opuszahl 34304. Avramow gelang es, den Leiter des Bayreuther Wagner-Museums, Sven Friedrich, für die Idee einer Jubiläums-Tournee zu gewinnen. Bis zum 17. November also tourt Wagners Flügel durch deutsche Großstädte, nach München ist Hamburg an der Reihe, dann Berlin, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Persönliche „Anspieltermine“ können unter wagner@steinway.de reserviert werden.