The Decemberists: Altmodisch antik und angenehm angestaubt
The Decemberists begeisterten im Kölner Prime Club mit blutrünstigen Moritaten.
Köln. Da steht er nun auf der kleinen Bühne im Kölner Prime Club, Colin Meloy, Kapitän der Decemberists, schaut grimmig wie ein alter Seebär, den die raue See ungewollt an Land gespuckt hat. Um sich herum hat er seine bekannte vierköpfige Crew geschart, mit der er seit vier Alben schon durch irische Seemannslieder und englische Volksweisen segelt. Gerade erst erschien das vierte Album "The Crane Wife", auf dem die Band aus Portland, Oregon, einmal mehr ihre düster-märchenhaften Parabeln über Liebe, Tod und Vergänglichkeit versammelt.
Als wären sie durch ein Zeitloch geradewegs ins 21. Jahrhundert gefallen, so wirken die Decemberists auch an diesem Abend. Meloy im weißen Sakko mit sorgfältig gebundenem roten Tuch über dem schwarzen Hemd, steht unbeeindruckt von grölenden britischen Fans anfangs recht distinguiert auf der Bühne, zupft seine Gitarre und singt. Erst im Verlauf des Konzertes wird das Quintett seine Zurückhaltung ablegen und sich sogar von den Fans auf Händen durch den Raum tragen lassen.
Das Wunder: Auch live entfalten die blutrünstigen Moritaten der Decemberists ihren Charme. Szenarien von verwunschenen Kranichfrauen, fluchbeladenen Verbrecherbanden oder menschenverschlingenden Walfischen klingen antik und angenehm altmodisch und entführen mitten in ein irisches Pub. Es sind fantastische und musikalisch perfekt in Szene gesetzte Geschichten über irische Massenmörder ("Shankill Butchers"), verwaiste Bürgerkriegsherzen ("Yankee Bayonet"), Vergewaltigung und Kindsmord.
Aber auch die alten "Hits" des famosen Vorgängeralbums "Picaresque" fügen sich in diesen bittersüßen Reigen: Ob "We Both Go Down Together", "Eli, The Barrow Boy", "16 Military Wives", "The Engine Driver" oder "The Sporting Life" - alles folgt der süßen Melancholie des heimeligen Wintermonats, der ihren Namen gab.
The Decemberists, Lieblingsband von George Clooney, scheuen weder Kitsch noch Klischee, welche sie warmherzig in eine sich immer zu neuen Höhepunkten auftürmende Instrumentalisierung aus Akustikgitarren und Quetschkommode wickeln. Weniger folkig als in ihren Anfangstagen haben sich die poetischen Freibeuter mit den neuen Songs jetzt den epischen Prog-rock-Arrangements verschrieben und klingen zuweilen wie die Zauberlehrlinge von Fleetwood Mac. Den Fans gefällt’s, sie bejubeln die schräge Kapelle ausgiebig, bevor das Piratenschiff der Decemberists wieder in See sticht.