Steven Spielberg im Interview: „Ich bin ein nostalgischer Typ“

Regisseur und Produzent Steven Spielberg über Hochtechnologie und einfache Freuden.

Düsseldorf. Herr Spielberg, worin unterscheidet sich Tim von den gewöhnlichen Superhelden, die zuletzt die Leinwand erobert haben?

Spielberg: Mich faszinieren vor allem sein Forschungsdrang und die Hartnäckigkeit, mit der er seine Ziele verfolgt. In Hergés Büchern wirkt Tim wie ein Pfadfinder, der von exzentrischen Charakteren wie Kapitän Haddock und den Detektiven Schulze & Schultze umzingelt ist. Allein durch den Kontrast zu diesen Figuren wird Tim zu einem bescheidenen Helden. Ohne Spezialeffekte und Superheldenfähigkeiten liegt Tims Kraft in seiner Persönlichkeit oder vielleicht könnte man auch sagen: in dem Mangel an einer eigenen Persönlichkeit. Er ist so sehr damit beschäftigt, die Wahrheit herauszufinden, dass für ein Privatleben kein Raum bleibt.

Warum haben Sie den Film im komplizierten „Motion-Capture-Verfahren“ gedreht, bei dem Stimme, Mimik und Bewegung der Schauspieler in den Computer eingespeist und mit den digital entworfenen Comicwesen zusammengerechnet werden?

Spielberg: Wir wollten bewusst eine filmische Kunstform entwickeln, die der Kunstform gerecht wird, die Hergé mit Stift und Farbe in seinen Comics kreiert hat. Ich konnte mir nicht vorstellen, die Schauspieler mit irgendwelchen Gesichtsprothesen auszustatten, um ihr Aussehen den Comicfiguren anzupassen.

Trotz der ganzen Hochtechnologie schwingt bei dem Projekt eine gewisse Nostalgie mit. Sind Sie ein nostalgischer Typ?

Spielberg: Auf jeden Fall. Je mehr die elektronische Welt die Kontrolle über unser Leben übernimmt, desto mehr genieße ich die einfachen Freuden. Anstatt zu googeln, gehe ich manchmal lieber in eine Bibliothek, um etwas nachzuschlagen, so wie es Tim in unserem Film auch macht. Früher hat man ja noch die Beine und nicht nur die Finger bewegt, um Antworten zu finden.

Nach der digitalen Revolution folgt nun gerade die 3D-Aufrüstung in den Multiplexkinos. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Filmkultur in zwanzig Jahren aus?

Spielberg: Mit dem rasanten technologischen Fortschritt und den gravierenden Auswirkungen, die diese Entwicklungen auf die Gesellschaft haben, wage ich keine Prognose.

Welcher Ihrer Filme ist Ihnen am wichtigsten?

Spielberg: „Schindlers Liste“ hat sehr viel Gutes in der Welt bewirkt. Durch den Film konnte die „Shoah-Foundation“ gegründet werden, die über 50 000 Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden aufgezeichnet hat. „Schindlers Liste“ hat viel in Gang gesetzt, das weit über die normale Wirkung eines Filmes hinausgeht.

Zurzeit drehen Sie einen Film über Abraham Lincoln. Was treibt Sie so oft zu historischen Themen?

Spielberg: Die Auseinandersetzung mit historischen Themen bringt mich immer wieder auf den Boden der Realität zurück. Es tut mir gut, ganz eng an historischen Details zu arbeiten. Aber dann brauche ich wieder Projekte wie „Tim und Struppi“, „Minority Report“ oder „E.T.“, in denen ich Dinge erschaffen kann, die es in der echten Welt nicht gibt.