Meinung Das Verschieben der Schuld beim Loveparade-Prozess

Auf der Anklagebank im Loveparade-Prozess sitzen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg. Wegen Planungsfehlern wird ihnen (und vier Mitarbeitern des Festival-Veranstalters) fahrlässige Tötung vorgeworfen. Ihr damaliger Chef, Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland, erschien am Mittwoch auch im Gericht.

Foto: Sergej Lepke

Aber nur als Zeuge. Ihn hatte die Staatsanwaltschaft nicht angeklagt.

Er habe die Loveparade nie in Duisburg haben wollen, hatte Sauerland 2016 im Interview gesagt. Vor Gericht verlesene Akteninhalte und Videos zeigten am Mittwoch jedoch sehr wohl, dass auch er Ja sagte zur Loveparade — und trotz ihm bekannt gewordener Bedenken etwa des früheren Duisburger Polizeipräsidenten nicht auf die Bremse trat. Er habe nichts mit dem Genehmigungsverfahren zu tun gehabt, versicherte er immer wieder. Richter Mario Plein wurde das irgendwann zu viel. Er nahm die Perspektive von „Klein Erna“ ein. Die würde doch sagen: Seltsam, dass der Oberbürgermeister sich bei einem solchen Großereignis nicht einbringt. Es sei schließlich nicht um einen Flohmarkt in Duisburg-Marxloh gegangen.

Doch weder „Klein Erna“ noch Richter Plein können Sauerland etwas anhaben, er ist kein Angeklagter. Und wird es auch nicht mehr, weil Vorwürfe wegen fahrlässiger Tötung nach fünf Jahren verjährt sind. Den (rechtzeitig) Angeklagten indes könnte es beim Strafmaß nutzen, wenn sie nicht allein die ganze Last zu tragen hätten — für Fehler im Genehmigungsverfahren, bei dem ihr oberster Chef abtauchte. Und ihre Verteidiger haben noch einen „Schuldigen“ gefunden. Am Mittwoch verlasen sie den Antrag der SPD im Landtag für ein Veranstaltungsgesetz, das Zuständigkeiten bei Großveranstaltungen klar regeln müsse. Das sei doch ein Beweis für bisheriges gesetzgeberisches Versagen. Und so wird die Schuld hin- und hergeschoben. Für die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden ist das angesichts ihrer nie verheilenden Wunden schwer zu ertragen.