Loveparade-Katastrophe Loveparade-Prozess: Zeugin schildert das Grauen von Duisburg

Im Loveparade-Prozess hat die Beweisaufnahme begonnen. Schwer atmend berichtete die erste Zeugin von dem, was ihr und vielen anderen am 24. Juli 2010 in Duisburg widerfuhr.

Prozessbeteiligte und Journalisten warten in Düsseldorf im Gerichtssaal des Landgerichts auf den Beginn des Verhandlungstages.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. Im Loveparade-Prozess hat die erste Zeugin berichtet, wie sie vor sieben Jahren in Duisburg in das tödliche Gedränge des Musikspektakels geriet. Ihre Schwester habe sich auf dem Loveparade-Gelände an einer Glasscherbe die Hand verletzt, berichtete die 31-jährige Auszubildende am Donnerstag stockend und schwer atmend.

Auf der Suche nach medizinischer Hilfe sei sie dann mit ihr in das Gedränge geraten. Eine Kette aus Polizisten habe sie am Verlassen des Geländes gehindert. Die Kette sei dann auseinandergerissen worden und das Gedränge habe zugenommen.

Ihre Schwester habe noch gefleht: „Halt meine Hand fest, lass ja nicht los.“ Doch dann sei sie dennoch weggerissen worden. „Der Druck war so stark. Ich habe sie aus den Augen verloren. Wir wurden von vorne und von hinten gedrückt, wie Sardinen in der Büchse. Ich bekam keine Luft. Man konnte sich nicht bewegen.“

Ein junger Mann habe ihr noch geholfen, ihren Kopf und die Haare hoch gehalten und gesagt: „Ich helfe dir.“ Beim Versuch, eine Treppe an der Zugangsrampe zu erreichen, sei sie dann aber gestürzt. Menschen hätten auf ihr gelegen. „Links von mir lag ein junges Mädchen und rief: „Hilf mir, hilf mir.“ Aber das ging nicht. Ich konnte mich selbst nicht befreien, weil Menschen auf mir lagen. Es wurde immer schwerer und schwerer. Weiter weiß ich nicht mehr, ich bin dann im Krankenhaus auf der Intensivstation wach geworden“, sagte die Duisburgerin.

Zeitlich könne sie das Geschehen kaum einordnen: „Für mich hat es eine Ewigkeit gedauert.“ Sie sei um 13.00 Uhr zu Hause aufgebrochen und mit dem Taxi zum Gelände gefahren. Zunächst sei die Stimmung ausgelassen und gut gewesen. Die Absperrgitter seien allerdings wie ein Labyrinth aufgebaut gewesen.

Ab und zu verspüre sie heute noch „diesen ungeheuren Druck“, sagte die Zeugin. „Wenn ich etwas Bestimmtes rieche oder viele Menschen sehe, kommt das wieder.“ Ein Jahr nach der Katastrophe sei sie sieben Wochen lang in einer psychosomatischen Klinik gewesen. Sie habe immer noch Schuldgefühle, weil sie der jungen Frau neben ihr nicht habe helfen können.

Mit der Aussage der Zeugin stieg das Gericht am Donnerstag in die Beweisaufnahme ein. Ein Verteidiger hatte zunächst der Vernehmung widersprochen und wollten zunächst den Gutachter hören.

Beim Loveparade-Unglück am 24. Juli 2010 in Duisburg waren im Gedränge Zehntausender Menschen am einzigen Zu- und Abgang des Veranstaltungsgeländes 21 Menschen erdrückt und mindestens 652 verletzt worden.

Wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung sind sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent angeklagt. Der Prozess hatte im vergangenen Dezember begonnen. Aus Platzgründen findet das Verfahren des Duisburger Landgerichts in der Düsseldorfer Messe statt. dpa