Meinung Deutschland und der Konflikt in Katalonien

Dass der katalanische Ex-Regierungschef Carles Puigdemont von der deutschen Polizei festgenommen wurde, ist kein Zufall. Offenkundig wurde der Separatistenführer vom spanischen Geheimdienst beschattet und den deutschen Behörden auf dem Silbertablett präsentiert.

Foto: Sergej Lepke

Der Zugriff erfolgte nicht in Finnland, Dänemark oder Belgien. Dorthin war Puigdemont nach seiner Amtsenthebung im vergangenen Herbst geflohen, um sich der spanischen Justiz zu entziehen. Er konnte sich frei bewegen, denn der Haftbefehl galt nicht mehr. Erst jetzt — passend zur Fahrt über deutsche Autobahnen — wurde der europäische Haftbefehl erneuert. Die spanische Regierung will, dass das ökonomisch und politisch wichtigste Land in der EU den verhassten Rebellenführer ausliefert. Eine Machtdemonstration.

Aber muss die deutsche Justiz die ihr zugedachte Rolle spielen? Puigdemont drohen in Spanien 30 Jahre Haft wegen Rebellion. Dieser Tatbestand setzt aber den Einsatz von Gewalt voraus. Von Gewalt oder der Aufforderung dazu kann bei Puigdemont aber keine Rede sein. Hinzu kommt, dass es den Straftatbestand der Rebellion in Deutschland nicht gibt. Für eine Auslieferung aus diesem Grund fehlt also die Grundlage. Bleibt der zweite Vorwurf: Veruntreuung von Staatsgeldern. Dass der 55-Jährige Steuermittel für die Durchführung des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums genutzt hat, ist klar. Deutschland muss also ausliefern. Aber: Die spanische Justiz kann ihm dann nicht wegen Rebellion, sondern nur wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel den Prozess machen. Das ist nicht das, was die Regierung in Madrid sich vorstellt.

Für Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy wäre es ein Leichtes gewesen, Puigdemonts politische Geisterfahrt schon vor einem Jahr zu beenden. Er hätte Katalonien nur anbieten müssen, ernsthaft über das Autonomiestatut für die Region zu verhandeln. Mit kleinen Zugeständnissen hätte er die Verfechter der Unabhängigkeit isolieren können. Aber Rajoy setzt nur auf Justiz und Polizei. Er lässt zu, dass der Hass sich ausbreitet. Recht zu haben und es durchzusetzen, reicht in diesem Konflikt aber nicht aus. Die deutsche Justiz darf es nicht zulassen, sich mit einer Auslieferung wegen Hochverrats (dieser deutsche Paragraf ist mit Rebellion vergleichbar) zum Werkzeug Rajoys zu machen. Und: Berlin und Brüssel sollten endlich politische Verantwortung übernehmen und im Katalonien-Konflikt vermitteln.