Meinung Die Sperrklausel kommt — doch bleibt sie auch?
Es geht um den Ernstfall der Demokratie — so hatte ein Sachverständiger noch im Januar in der Landtagsanhörung vor einer Sperrklausel bei Kommunalwahlen gewarnt. Doch damit drang er nicht durch. Der Düsseldorfer Landtag hat gestern die 2,5-Prozent-Klausel verabschiedet.
Folge: Wählerstimmen werden unter den Tisch fallen.
Die Versuchung für die etablierten Parteien, sich Konkurrenz vom Hals zu halten, liege schon strukturell nahe, weshalb die Verfassungsgerichte an dieser Stelle keinen Spaß verstünden, hatte der Experte prophezeit. Da sei auch eine Zweidrittelmehrheit „kein Nachweis höherer Dignität“. Will sagen: Auch wenn sich SPD, Grüne und CDU einig sind, heißt das noch lange nicht, dass ihre Entscheidung demokratisch sauber ist. Die Demokratie dürfe nicht mit undemokratischen Mitteln geschützt werden, hatte ein anderer Experte gewarnt.
Gewiss, solche Stimmen waren in der Expertenanhörung Anfang des Jahres in der Minderzahl. Es überwogen praxisnahe Argumente: dass eine Zersplitterung der Räte und das Wahrnehmen von Partikularinteressen das Gestalten von Politik schwierig machen. Und dass stundenlanges Gezerre in den Räten alle diejenigen abschreckt, die mit dem Gedanken spielen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das findet auch eine große Koalition der sich sonst gegenseitig beschimpfenden Politiker von Rot-Grün einerseits und CDU andererseits. Und doch sind sie selbst mit der Verfassungsänderung nicht auf der sicheren Seite. Es gibt nämlich auch verfassungswidriges Verfassungsrecht — wenn die Landesverfassung gegen das Grundgesetz verstößt.
Entscheiden müssen das am Ende wohl die Richter des Bundesverfassungsgerichts. Sie werden abwägen, ob ein so schwerwiegender Eingriff ins Wahlrecht gerechtfertigt ist, wenn es zunächst mal nur um eine Unbequemlichkeit der Entscheidungsfindung geht. Wenn politische Weichenstellungen länger dauern oder schwierig sind, so ist damit der Rat noch lange nicht funktionsunfähig. Gut möglich, dass die Richter schlagendere Argumente einfordern werden. Und dass sie von den Landespolitikern verlangen, konkrete Beispiele für einen gerade durch die Zersplitterung verursachten politischen Stillstand zu liefern.
Übrigens: Karlsruhe hat erst im Februar 2014 eine Drei-Prozent-Sperr- klausel im Europawahlrecht gekippt.