Die Verpflichtung der SPD
Es geht bei der Frage, ob Martin Schulz als SPD-Vorsitzender noch haltbar ist, nicht um die Person. Die ist schon gescheitert. Und zwar doppelt (bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein) und dreifach (Bund).
Da fiele eine eventuelle vierte Niederlage am kommenden Sonntag in Niedersachsen auch nicht mehr ins Gewicht.
Schulz selbst hat keine gravierenden Fehler gemacht, im Gegenteil, er hat gekämpft wie ein Löwe. Jedoch ist nach so einer Negativserie klar, dass er nicht wieder Kanzlerkandidat sein kann, also eben nicht mehr Hoffnungsträger ist. Sich selbst und seinen Anhängern würde er helfen, wenn er seinen Auftrag schon jetzt nur noch darin sähe, die Partei zu erneuern und den nächsten Bewerber (oder die Bewerberin) aufzubauen.
Aber soll er zukünftig auch nicht mehr Parteivorsitzender sein? Bei dieser Frage geht es eher um die SPD. Hundert Prozent Zustimmung hat er im Frühjahr erhalten — das heißt, kein einziger hat in geheimer Wahl im März beim Bundesparteitag auch nur den geringsten Zweifel an diesem Mann und seiner Eignung als Parteichef gehabt. Mag sein, dass die eine oder andere Stimme für Schulz verlogen war, das übliche Mitläufertum in Erwartung angeblich sicherer Siege. Dann ist die jetzige Kritik das übliche Nachtreten der Neunmalklugen und Feigen. Es macht die SPD weder glaubhafter noch sympathischer, wenn sie wieder anfängt, ihre Vorsitzenden zu wechseln wie andere das Unterhemd — nach jeder größeren Anstrengung ein neues.
Im Gegenteil: Die SPD würde mit einem Schulz-Aus nach dem 15. Oktober und der Wahl in Niedersachsen kalt und beliebig wirken. 100 Prozent sind eine Verpflichtung. Für den Gewählten wie für seine Wähler. Sollen sich doch die, die jetzt im Nachhinein alles besser wissen, formieren. Sollen sie Gegenkandidaten aufbauen und in einem offenen Prozess durchsetzen, zur Not per Mitgliederentscheid. Das wäre wenigstens spannend.