Meinung Europa muss sich jetzt neu erfinden

Der Gipfel der Enttäuschungen in Taormina hat gezeigt: G7 ist zu G6 geschrumpft. Amerika will nicht mehr mitspielen. Donald Trump hat die einstige Weltmacht innerhalb kürzester ins Abseits manövriert.

Foto: Sergej Lepke

Der Milliardär, der nun den US-Präsidenten mimt, ist im Amt noch weitaus unberechenbarer und inkompetenter, als man es nach seinem Wahlkampf befürchten musste. „America First“ — das heißt in weiten Teilen nun auch „America Alone“.

Was bedeutet diese Entwicklung für die politische Weltlage? Es ist riskant, wenn sich ein Staat, dazu noch ein führender mit einer solchen Wirtschaftskraft und einem solchen Waffenarsenal wie die USA, zunehmend isoliert. Und es ist nicht abzusehen, wie eine Persönlichkeit vom Kaliber eines Donald Trump darauf reagiert, wenn er erst einmal spürt, dass er an Bedeutung verliert. Denn noch ist seine Sicht der Dinge eine ganz andere: Für ihn war seine erste Auslandsreise ein ganz großer Erfolg.

Die G6-Staaten, allen voran die Europäer, sollten nun wirklich aufgerüttelt sein angesichts des rüpelhaften und ignoranten Auftretens des US-Präsidenten. Bisher hieß es, ein polternder Trump gebe Europa die Chance, sich wieder als starke Einheit zu finden. Man muss es jetzt weitaus stärker zuspitzen: Europa muss sich wieder als starke Einheit finden. Das ist auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bewusst, die am Sonntag sehr deutliche Worte gefunden hat. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen“, beschwor sie am Sonntag bei ihrem Wahlkampfauftritt in Bayern. Sie sieht in den USA keinen verlässlichen Partner mehr.

Die wichtigsten Industrienationen der Welt handeln nicht mehr gemeinsam. Das ist die Botschaft dieses desaströsen Gipfels. Eine niederschmetternde Bilanz angesichts der weltweiten Herausforderungen. Künftig werden Sechs gegen oder ohne Einen Politik gestalten. Dazu ist Europa gefordert, sich selbst wieder handlungsfähig zu machen. Sich nicht mehr auf andere zu verlassen. Eigene Krisen zu bewältigen und Kleinstaaterei zu überwinden. Verantwortung zu übernehmen. Kurzum: Die europäische Idee muss neu erfunden werden. Gelingt dies nicht, spielt es Autokraten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin oder dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in die Hände. Denn ihr Ziel ist die Destabilisierung Europas.